Die wundersame Wandlung des Wortes Toilette

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Vom Tüchlein zum Tiefspüler – ein Begriff und seine Geschichte.

Die Toiletten der Kaiserin Elisabeth, so heißt ein kurzer Film auf Youtube.

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In den Kommentaren dazu melden sich die Nutzer verwirrt-belustigt:

Sehen sie auch Teil 2 unserer Dokumentation: „Die Stuhlgänge der Kaiserin Sisi!“

und fragen

Was bitte versteht man denn unter Toiletten??? Also ich kenne nur eine Art von Toiletten und da verrichte ich meine Gechäfte

hust

Für  alle, die auch nur eine Art Toiletten kennen, nachfolgend eine Aufklärung.

1. Ein Tuch

Am Anfang war die Toilette nur ein Stück Stoff. Toile bedeutet im Französischen „Tuch“, toilette ist davon die Verkleinerungsform. In einem französischen Wörterbuch von 1680 wird die Toilette als  ein Einschlagtuch beschrieben, mit Spitzen verziert, das man auf einem kleinen Tisch auslegt und das Kämme, Bürsten und alles Notwendige enthält. Damals gab es ja noch keine Badezimmer, die Körperpflege fand im Schlafzimmer neben dem Bett statt. Das Stoffstück diente als Unterlage und Umschlag für die notwendigen Utensilien, im Grunde eine Art Kulturbeutel oder Schminkkoffer.

Um 1700  geht das Wort dann auch in den deutschen Sprachgebrauch über. Ein deutsches Lexikon bezeichnet die Toilette damals als „ein Tuch von Leinwand, welches man über einen Tisch breitet, um daselbst die Nacht- Kleider und anderes Nacht-Zeug nieder zu legen“.

2. Körperpflege und Möbelstück

Hundert Jahre später verstehen die Menschen unter „Toilette“ schon den gesamten Vorgang der Körperpflege.

1796

Außerdem geht das Wort auf das vom Tuch bedeckte Möbelstück über.

um1700

Goethe beschreibt 1779 ein Zimmer:

„…in einer Art von Nische stand ein sehr reinliches Bett, zu der Seite des Hauptes eine Toilette mit aufgestelltem Spiegel und zu den Füßen ein Gueridon mit einem dreiarmigen Leuchter, auf dem schöne, helle Kerzen brannten; auch auf der Toilette brannten zwei Lichter.“

Hier heißt also schon der ganze Tisch Toilette. Der Spiegel ist aufgestellt – bei Nichtgebrauch konnte er hingelegt oder gekippt werden. Auf vielen Abbildungen sieht man, dass auch so ein Toilettenspiegel mit einem Tuch verhüllt werden konnte, wenn er nicht gebraucht wurde.

18. Jhd.

Abdecktücher für den Wasch- und Pflegebereich gab es bis ins 20. Jahrhundert. Das Freilichtmuseums Lindlar hat ein Ziertuch von ca. 1910 im Bestand, das in einer Gaststätte eine Toilettenkommode kaschierte. Dazu gehörte auch ein Deckchen für die Waschkommode.

3. An- und Auskleiden

Frauenzimmer stehen um 1800 nun an der Toilette und machen Toilette.

1796

Der gesamte Vorgang des Umkleidens am Morgen und Abend wird als Toilette bezeichnet. In der Malerei entstehen zahllose sogenannte „Toilettenszenen“.

vor 1816, Hilleström, Morgentoilette, Auschnitt

Solche Toilettenszenen sind ein willkommener Vorwand, erotische Bilder zu malen.

Morgentoilette

Lied an der Toilette der Geliebten zu singen

Dürft‘ ich Huldin, dich umfangen,
Gleich der Luft, die dich umfließt,
Und mit zitterndem Verlangen
Jeden deiner Reize küßt!…  (1830)

Die Morgentoilette als Bildmotiv hält sich über 200 Jahre.

1929, Gerty Eisner bei der Morgentoilette, CC BY 4.0

Heute sind die Bezeichnungen Morgen- und Abendtoilette für die Körperpflege altmodisch geworden. (Dafür wandert aber gerade die morning / evening routine aus dem Youtuber-Bereich in die deutsche Sprache ein.)

4. Kleidung und Gesamtlook

Beim An- und Auskleiden blieb es ohnehin nicht, die Entwicklung des Begriffs Toilette ging noch weiter. Im Brockhaus von 1837 ist das Wort schon vierfach belegt: Putztisch, Behältnis, Vorgang des Kleidens, aber auch Anzug und Schmuck zusammen.

„Anzug und Schmuck zusammen“, also die gesamte Kleidung mit Frisur und Beiwerk heißen nun Toilette. In einem Benimmbuch von 1901 werden die Kleidungsvorschriften entsprechend benannt:

Gesellschafts-Toilette

Diner-Toilette der Damen. Im allgemeinen trägt man jetzt wieder mehr ausgeschnittene Kleider als vor einigen Jahren…

Soupertoilette. Bei Soupereinladungen macht man fast denselben Unterschied wie zum Diner…

Balltoilette. Die Balltoilette wird ebenfalls durch die Größe und Eleganz des Festes bestimmt werden…“

Der Ausdruck bezieht sich nicht nur auf Frauenkleidung, auch Männer müssen sich um ihre Toilette kümmern.

5. Seit wann ist die Toilette denn nun ein Porzellanbecken?

Wie kam dann der Wandel des Wortes weg von der Kleidung und hin zum Klosett? Das Klo hieß früher eigentlich Abort oder Abtritt.  Zur Geschichte des WCs gibt es vom WDR einen unterhaltsamen kleinen Beitrag: Wie der Toilettengang zum Tabuthema wurde. Das stille Örtchen gab es früher nicht, Stuhlgang und Pinkeln waren längst nicht so schambehaftet wie heute und fanden oft in der Öffentlichkeit statt.

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In Bedürfnisanstalten oder im Hof wurden die Aborte gemeinsam genutzt. Wenn man bei den gemalten Toilettenszenen genau guckt, sieht man manchmal den Nachttopf im Nachttisch:

Ausschnitt Abendtoilette

Im Bild Morgentoilette (weiter oben) könnte im Stuhl ein Nachttopf eingelassen sein, sicher bin ich mir da aber nicht.

toilette8Ausschnitt Morgentoilette

Im 19. und 20. Jahrhundert wanderte der Abort als gesonderter Raum langsam in die Wohnungen und wurde zum intimem Bereich. Mit der bürgerlichen Gesellschaft setzten sich Scham- und Peinlichkeitsgefühle durch. Da kam es gerade recht, einen beschönigenden Ausdruck für den Gang zum Klosett zu finden. 1911 schreibt der Brockhaus deshalb beim Eintrag Toilette:

„Putztisch der Frauen; dann Putzgerät, auch das Anziehen, Anputz; euphemistisch für Abort.“

Heute, 100 Jahre später, kennen wir die Toilette nur noch in der letzten Bedeutung.

Lustig finde ich, dass sich die Entwicklung inzwischen noch weiter gedreht hat und nun das Wort Toilette manchmal schambehaftet ist. Vielleicht vermeidet ihr den Ausdruck ja auch lieber und fragen höflich „Wo ist das Bad“ oder „Wo kann ich mir die Hände waschen?“

Das war mein Schnelldurchlauf durch die vielen Bedeutungen des Wortes Toilette. Es ist im Ursprung textil und über weite Strecken textil geblieben!

In noch kürzerer Form findet ihr die Begriffserklärungen übrigens in meinem Buch Am Rockzipfel.  Neben vielen weiteren Geschichten zu Ausdrücken aus dem Kleidungsbereich. Vielleicht brauch ihr ja noch ein Weihnachtsgeschenk! :)

30 Kommentare

  1. …..das passte ja super!
    Habe mich wg gerade begonnener Badsarnierung den halben Tag mit Flach-, Tief-, wandhängenden – oder bodenstehenden Schüsseln beschäftigen dürfen.
    Danke für deinen interessanten Ausflug in feinste und weniger feine Toiletten.

  2. Diese Wandlung hat mich auch schon immer fasziniert, aber ich kenne noch von Tanten und Großeltern den Toilettentisch im Schlafzimmer mit gleichnamigen Artikel, später sagte man dann eher Frisierkommode. Ich gehe noch zur Toilette und finde das auch ein angenehmes Wort, allerdings scheint es vielen abhanden gekommen zu sein. Immer öfter hört man im Fim/ TV das Wort Klo. Das widerum empfinde ich eher als primitiv und einseitig.Sprache scheint sich überhaupt zu versimplizieren, wenn diese Wortschöpfung gestattet ist.
    Viele Grüße, Karen

    • Mir ist der Sprachwandel erst bei dem Youtube-Video aufgefallen – es gibt Leute, die kennen die alte Bedeutung der Toilette gar nicht mehr, das hatte mich verblüfft und neugierig gemacht. Bei Wikipedia steht übrigens auch eine falsche Erklärung, aber irgendwie habe ich immer keine Energie, das zu korrigieren.

  3. Sehr interessant und schön zu lesen. Von meiner Großmutter, die von 1901 bis 1984 gelebt hat, kenne ich den Begriff Abort sehr gut. Fand ihn aber immer sehr ulkig.
    Liebe Grüße
    Andrea

  4. Aber ein bisschen kommt die ursprüngliche Bedeutung wieder zurück, im Englischen fragt man neben dem Bad auch mal nach dem „Powder Room“ und auf deutsch „Geht man sich das Näschen pudern“, ich kenne aber niemanden, der nur zum schminken auf die Toilette geht. ;-)
    Übrigens wurde mir im Benimmunterricht gesagt, man benennen das Örtchen am Besten gar nicht, sondern entschuldigt sich einfach und sieht dann den Kellner hilfesuchend an… :-D

    • Haha, das mit dem hilfesuchend gucken und stumm nicken und Finger zeigen kenne ich auch. Am ehesten ist mir das Sprachproblem in den USA aufgefallen, wo man restroom oder allenfalls bathroom sagte, aber niemals toilet. Das ist aber auch schon ein Weile her, ob das wohl immer noch so ist?

  5. Ein wunderbarer Aufsatz über den Begriff „Toilette“ durch die Epochen, vielen Dank dafür.
    Um ein bisschen aus dem Nähkästchen zu plaudern, ein Titel, der bei seiner Erwähnung oft Stirnrunzeln hervorruft, ist die Publikation von 1805 herausgegeben bei Georg Voß, Leipzig „Erstes Toilettengeschenk – ein Jahrbuch für Damen“. Das kleine, jährlich erscheinende Journal erfreute die Damenwelt leider nur bis 1807.

  6. Eine Toilette ist ein kleines Tuch – so klar, wenn man’s weiß! Super spannend zu lesen, deine detektivische Forschung durch die Jahrhunderte. Bei uns in Ö ist „Toilette“ die eher „foine“ Variante von „WC“ oder – noch weniger „foin“ – „Klo“. „Foin“ soll heißen: Eher ein bisschen gestelzt, aber von älteren, distinguierten Personen (wie meiner Schwiegermutter, und daher auch von meiner kleinen Tochter) durchaus noch genutzt. lg, Gabi

    • Interessant, dass bei euch Toilette eher ein gestelzter Ausdruck ist, foiner als WC – nach meinem Gefühl ist WC höflicher als Toilette. Aber vielleicht liege ich da auch falsch. Man müsste mal in allen Regionen und Altersgruppen fragen.

  7. Hallo!

    Es stimmt schon was Gabi sagt, in Ö wird tatsächlich im etwas gehobeneren Bereich Toilette eher gesagt als WC (was ja nur die Abkürzung von Water Closet ist).

    Mit dem Stuhl hast Du vermutlich recht mit dem eingelassenen Nachttopf.

    Nachdem meine Oma noch ohne WC in der Wohnung gelebt hat, kenne ich das alles auch noch von der anderen Seite her. So mit großem Spiegel im Schlafzimmer, wo die Toilette-Sachen waren (Kamm, Cremen, Parfum etc.) Anmerkung: da verwendet man das Wort ja schon noch in dem Sinn!

    lg
    Maria

  8. Wieder ein wunderbarer Artikel.
    Meine Großutter ( geb. 1901) nannte zB. Abendkleider Abendtoiletten und Damenkleider Toiletten. Aber ihren Toilettentisch/ Schminktisch nannte sie Psyche. Das war ein großer Spiegel unten mit kleinen Laden. Meine Großmutter machte davor auch Anproben wenn sie was genäht hat. Davor stand ein Hocker. Ich habe es geliebt als Kind dort zu sitzten und zu spielen, ich fühlte mich als große Dame. In meiner allerersten Wohnung hatte ich auch eine Psyche im Schlafzimmer stehen, da habe ich mich geschminkt und zum Ausgehen hergerichtet.
    In Wien geht man zur Toilette oder fragt im Lokal nach der Toilette, Klo ist derb. Aber das ist wahrscheinlich eine Altersfrage, ich verwende sicher eher altmodische Begriffe.
    Ganz herzliche Grüße
    Teresa

  9. […] „Toilette“ – ein interessantes Wort, ein vielschichtiges Wort, ein Wort mit vielen Bedeutungen, so erinnere ich mich noch genau wie verwirrend ich es als Kind fand, das man sich „Toilettenwasser“ ins Gesicht rieb 😉. Mit der Geschichte des Wortes „Toilette“ und seiner Vielschichtigkeit beschäftigt sich aktuell das Blog „Textilegeschichten“: https://textilegeschichten.net/2017/11/16/die-wundersame-wandlung-des-wortes-toilette/ […]

  10. Nur damit es keine Missverständnisse gibt:
    Klo ist in meinem Sprachraum auch gröber als Toilette oder WC!
    WC ist ok, aber Klosett wäre komplett hinterwäldlerisch.
    Ich werde in der jüngeren Generation mal herumfragen, ob sie noch irgendwelche Sprachhemmungen in dieser Richtung haben.
    In Österreich gefällt mir richtig gut, dass noch so viel mehr von „früher“ lebendig ist als hier in Berlin.

  11. Ich habe einen Ostwestfalen zu seinem Kulturbeutel „Tolette“ sagen hören; das ist, gab er zu, ein Omma-Wort, daher ohne i. Und zur heutigen Toilette sagte man im Rheinhessischen „Abee“, aber das ist auch schon ein Weilchen her.
    Ich finde es aber vor allem erstaunlich, wie Wortbedeutungen verloren gehen — und wie schwer es zu sein scheint, sich vorzustellen, daß es mal eine andere als die aktuelle gegeben haben könnte. Danke für den wunderschönen Abriß.

    • Wie interessant! Das sagt man auch im schweizerischen Berndeutsch. Ist es möglicherweise eine Abkürzung: AB? Für was? Abtritt?

  12. Danke für diesen Interessanten Artikel. Meine Oma, 1914, hatte eine Frisierkommode. Ich meine, sie hat auch Toilettentisch dazu gesagt, aber da muss ich meine Mama mal genauer fragen.

  13. In einem Buch von 1928 habe ich gelesen: „Die Damen trugen große Toiletten, die Herren Frack.“ Also auch ein Begriff für die Art der Garderobe.

  14. Hi, ich habe mir eine alte zeitung aus dem jahre 1882 gekauft und da steht toilette. Da wollte ich das natürlich genau wissen.
    Ich wollte mir das video von wdr anschauen, aber es existiert nicht mehr. Auch mit der suche hat es nix ergeben.
    Schade

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