Handtuch handgewebt
1. Textile Art
Ein Häuschen mit Zaun in einer Steppe – das sehe ich in diesem Tuch, gekauft auf der Messe Textile Art in Berlin, und zwar bei der Mitmachaktion „Weben wie in Westafrika mit Ibrahim und Koho von der Elfenbeinküste“. Das Küchentuch, zusammengenäht aus drei Webbahnen, hängt nun bei mir als Kunst an der Wand.
Ebenfalls auf der Textile Art dabei: Stefanie Gruber mit gestickten und applizierten Stoffbildern, deren Entstehung man auf ihrem Blog nachvollziehen kann .
Beim Stand eines privaten Museums für textile Kunst in Hannover gefielen mir vor allem die Kleidungstücke aus antiken Tischdecken auf, die die Inhaberin und Modedesignerin Erika Knoop schneidert. Frau Knoop sucht auch noch Interessenten, die die Sammlung ihres Museums übernehmen würden.
Bei dem Afghanischen Stickprojekt habe ich auch wieder zugeschlagen – links ein Dampfkochtopf, aber rechts? Ein Küchengerät, über das man (wie schon auf Instagram) nur spekulieren kann.
Gudrun Leitners großes Wandbild aus Stoff sprang sofort ins Auge.
Auf ihrer Webseite ist ihre spezielle Applikationstechnik im Detail zu sehen. Diese vermummten Köpfe sind ebenfalls von ihr:
2. Frauen und Kopfbedeckungen
Um Verhüllungen geht es auch in der Sonderausstellung „Cherchez la femme“ im Jüdischen Museum Berlin (noch bis 27. 8. 2017). Die Bedeutung weiblicher Kopfbedeckungen wird für alle Glaubensrichtungen thematisiert. Sehr gut und übersichtlich gemacht!
Unter anderem kam für mich mehr Licht ins Dunkel zu meiner Beobachtung über die Mode jüdisch-orthodoxe Frauen in New York. Ich schrieb damals: „Die oft erstaunlich jungen Mütter bedeckten ihr eigenes Haar mit Perücken und trugen insgesamt einen Look, der betont an die 50ties erinnerte“.
Die Sache mit der Perücken zeigt das Museum genau und erwähnt auch die modische Variante, die es der Chabad-Bewegung zurechnet. Das sind für Außenstehende natürlich undurchschaubare Welten, und so geht es Menschen wie mir, die aus einem christlichen Kulturkreis kommen, auch mit dem Islam. In der Ausstellung heißt es zum Hijab: „Am Stil der Kopfbedeckung lassen sich ethnische Herkunft und religiöse Orientierung innerhalb des Islam ablesen. Auch Familienstand, Bildungsgrad und die persönliche Auslegung der heiligen Schriften können Eingeweihte am Kopftuch erkennen“. In Berlin fallen mir viele Varianten des islamischen Kopftuchs auf, aber dekodieren kann ich sie nicht.
Verhüllungen durch alle Religionen hindurch
Was mir in der Ausstellung nicht gefallen hat, war die prominente Wiederholung einer Legende: Angeblich wurde im letzten Sommer an einem Strand in Nizza eine verhüllte Frau von bewaffneten Polizisten gezwungen, mehr nackte Haut zu zeigen. Ob die Geschichte überhaupt stimmt oder nicht vielleicht sogar inszeniert war, ist nie aufgeklärt worden. Das Burkini-Verbot wurde außerdem sofort vom obersten Gericht in Frankreich gekippt. Diese Klischees hätten in einer so guten Ausstellung daher nicht verfestigt werden sollen.
3. Ausstellungshinweise
Neue Ausstellungen im deutschsprachigen Raum:
- Bocholt, LWL Industriemuseum bis 31. 12. 2017 Reif für die Insel. Tourismus auf Sylt, Hiddensee und Mallorca
- Dresden, Kunstgewerbemuseum bis 5. 11. 2017 Textildesign – Vom Experiment zur Serie
- Pforzheim, Schmuckmuseum bis 10. 9. 2017 Schmuck großer Juweliere / Schmuck in der Kunst
- Berlin, Museum Europäischer Kulturen bis 28. 1. 2018 Anna webt Reformation. Ein Bildteppich und seine Geschichten
- Berlin, Galerie CAMERA WORK bis 14. 10. 2017 Hans Feurer, Modefotograf
- Österreich, Textiles Zentrum Haslach, zwei Ausstellungen zum Thema Flachs und Bleichen
Dazu die bereits in den letzten Kurznachrichten aufgelistete Ausstellungen im deutschsprachigen Raum:
- Glanz und Grauen – Mode im „Dritten Reich“ bis 22. Oktober 2017 im tim Textil-u Industrie Museum Augsburg. Das tim hat die Ausstellung vom Landschaftsverband Rheinland übernommen und durch zahlreiche Exponate aus ganz Bayern erweitert.
- Maschen – Mode – Macher, Strumpfdynastien in der Textilfabrik Cromford, Ratingen, bis 22. Dezember 2017. Einen Bericht dazu hat Tour-de-Kultour verfasst, inklusive einer Geschichte des Strumpfes.
- Dresden, Macht & Mode, Auf dem Weg zur Kurfürstenmacht, ab 9.4.
- Berlin, Jüdisches Museum Berlin mit einem Modeschwerpunkt, unter anderem bis 27. 8. 2017 die Ausstellung „Cherchez la femme“ zur Bedeutung von weiblichen Kopfbedeckungen. Artikel in der Zeit dazu. (+ siehe Bericht oben)
- Divine X Design – Das Kleid der Antike, Antikensammlung und Glyptothek München, bis 8. Oktober 2017.
- München Kunsthalle, Peter Lindbergh, From Fashion to Reality, – 27. August 2017.
- Stick-Bilder – Ausstellung im Deutschen Textilmuseum Krefeld, bis 17. September 2017.
- Heidelberg, Color Improvisations 2, Internationale zeitgenössische Quiltkunst bis 13. August 2017
- Linking Leather. Die Vielfalt des Leders – Leder- und Schuhmuseum Offenbach bis 22. Oktober 2017.
- Kauft bei Juden! Geschichte einer Wiener Geschäftskultur, Jüdisches Museum Wien bis 19. November 2017.
- Samt und Seide im historischen Tirol, bis 30. Oktober 2017, grenzüberschreitende Besichtigungsroute mit verschiedenen Schauplätzen – Innsbruck, Brixen, Bozen, Trient sind nur einige davon. Könnte man direkt einen Urlaub in Südtirol drumherumplanen.
- Und dann kann man gleich noch weiterfahren, in die Ostschweiz, wo sich acht Museen zusammengetan haben für iigfädlet – Ostschweizer – Textilgeschichten, bis 29. Oktober 2017. Es geht um die Geschichte der Textilindustrie in der Region und die Menschen, die in Heimarbeit oder in Fabriken Stoffe und Kleidung herstellten.
Zur Ausstellung „Glanz und Grauen“ in Augsburg hat KaZe gerade in ihrem Blog berichtet. Über Münchens Divine X Design schreibt Siebensachen. In Heidelberg bei der Quiltausstellung Color Improvisations 2 war Redwork in Germany.
4. Filmtipp
Richtig schön, vielleicht ja auch bei euch noch im Kino: Dries, Doku über den Modedesigner Dries van Noten. Nahtzugabe hat den Film besprochen.
5. Neugründungen
Wenn ihr einen Kunstkurs sucht oder selber einen anbieten wollt, könnt ihr euch die neue Webseite Finde-deinen-Malkurs ansehen. Das Paar dahinter kenne ich, die Idee finde ich sehr gut. Die beiden suchen ausdrücklich auch Anbieter für Kurse zu textilem Gestalten.
Noch eine gute Idee: Der gerade in Berlin gegründete Verein Bis es mir vom Leibe fällt e.V. kümmert sich um den kreativen Umgang mit gebrauchten Textilien. Es gibt Workshops, eine offene Reparaturwerkstatt und Kleidersprechstunde, neue Mitglieder sind sehr erwünscht.
Allen ein schönes Wochenende!
Herzlichen Dank für die Ausstellungstipps … Ich lese Deine „Kurzwaren“ wirklich sehr gern. LG, Manuela
[…] – und kleine abstrakte Stickereien von Afghanischen Jugendlichen, über die Suschna hier kurz berichtet hat, und, und, […]
Wow, so viele Ausstellungen, so viel Zeit hätte ich gerne, die alle anzusehen. Schön, dein Haus in der Steppe am Handtuch an der Wand. Ich hab’s auch endlich geschafft und meinen (wieder mal viel zu ausführlichen, aber ich kann nicht anders) Bericht über die Textile Art fertiggestellt. Uff. Jetzt kann ich mich endlich wieder profaneren Dingen (Gewerkeltem) widmen. Auch Dir ein schönes Wochenende! lg, Gabi
[…] Wer sich für Textilgeschichte interessiert, für Ausstellungen rund um Textilien und andere spannende textile Themen, der sollte sich die Zeit nehmen die „Kurzwaren“ zu lesen. Nr. 23 mit vielen Tipps rund um Textilien, textile Kunst und Textilgeschichte: https://textilegeschichten.net/2017/07/28/ausstellungsberichte-und-mehr-kurzwaren-nummer-23/ […]
[…] Wer sich für Textilgeschichte interessiert, für Ausstellungen rund um Textilien und andere spannende textile Themen, der sollte sich die Zeit nehmen die „Kurzwaren“ zu lesen. Nr. 23 mit vielen Tipps rund um Textilien, textile Kunst und Textilgeschichte: https://textilegeschichten.net/2017/07/28/ausstellungsberichte-und-mehr-kurzwaren-nummer-23/ […]