Ganz frühe Fotografien – Echte Menschen um 1850

1840er, Daguerrotypie, via GettyMuseum

Bilder aus der Anfangszeit der Fotografien sehe ich mir sehr gern an. Die Menschen wirken viel lockerer und lebendiger als in den Studioaufnahmen Jahrzehnte später. Das Kind darf sich an die Mutter lehnen, das Baby lachen. Die Locken sind echt, die Stoffe geknittert, die Blicke menschlich.

1855, Daguerrotypie, via GettyMuseum

Die Geschichte der Fotografie begann um 1840. Es gab Daguerreotypie, Salzpapiertechnik und andere Verfahren. Die meisten der Bilder hier gehören zum Getty Open Content Program. (Offenbar funktioniert zur Zeit die Datenbank nicht, so dass mir Links fehlen. Die allgemeine Suche ist aber weiter möglich.)

 04552301getty1854/55, Mme Ernestine Nadar

Ernestine, die Frau des Fotografen, hat nicht so richtig Lust, als Probemodell herzuhalten. Auch bei dieser Familie ist nicht jede mit Begeisterung dabei:

04457201getty 1847, Daguerrotypie via

Man könnte eine ganze Abhandlung zu den Kleidungsstücken schreiben. Schön zu erkennen zum Beispiel die Hose des sitzenden Mannes, die unten mit einem Steg über den Schuh geht.

Endlich einmal deutlich: Frauen schminkten sich nicht.

?????????????????????????????

Da kann man die Ingres-Portraits aus derselben Zeit auch gleich einem Realitätscheck unterziehen.

Ingres, 1848, Wiki

Die Stoffe der Männerkleidung sind gut vorstellbar.

07140201getty1847, Selbstportrait eines Fotografen

??????????????????????????????????????ein lässiger Vicomte

Diesen Mantel kann man fast fühlen…

04555601gettyum 1856, via

… und über dieses Strickzeug rätseln.

06868801getty

Es gibt erstaunlich viele Fotos von Arbeitern, Angestellten und Hauspersonal.

044589011847-50 Bedienstete in Holz(?)schuhen, Ausschnitt via

10597001getty1843-48, Newhaven via

Fischer mit Jungen, Frauen im Gras.

06716701getty

04565501getty1860/61, Marie Laurent, via 

Marie Laurent war eine französische Schauspielerin. Auf diesem Foto posiert sie in historischer Kostümierung.

Die frühen Fotografien sind im Original ganz klein. Zum Glück kann man die Details digital heranzoomen.

???????????????????????????via 10581101gettyvia

1843-48

04599701getty1856-58, Ausschnitt, via

Screenshot_2015-04-13-00-55-25 (2)1853

Eine ganz frühe Nähmaschine, so besonders, dass sie mit aufs Foto kam. Das Bild ist ein Screenshot aus diesem Video mit ersten Fotografien.

Zur Zeit läuft in London eine Ausstellung in der Tate mit Fotografien von damals: „Salt and Silver“ .

saltsilver_0

Zum Abschluss noch einen bekannten Mann: Johannes Brahms, 1853

Screenshot_2015-04-13-00-53-04 (2)Screenshot

Auch wenn man kein Klassikfan ist – Johannes blickt einen so an, dass man ein bisschen in seine Musik hineinhören muss.

Eine schöne Woche wünsche ich und hoffe, dass euch meine Funde ebenso erfreuen wie mich.

22 Kommentare

  1. Danke für den schönen Artikel! Vor allem der Vergleich von Fotografie zu zeitgenössischer Malerei ist sehr erhellend – und bringt mich zum Schmunzeln! ;) herzl. Tanja

  2. Ein wunderbarer Beitrag und natürlich ein wunderbarer Blog.
    Ich habe diese schönen textilen Geschichten erst vor kurzem entdeckt und freue mich immer, wenn es eine Fortsetzung gibt.
    Vielen Dank für die Recherchen
    Barb

  3. Durch das Verfahren sind die Details irgendwie deutlicher. Vielleicht liegt es daran, dass sie so lebendig wirken. Ich kenne einen, der heute mit dem Ambrotypieverfahren (gleich auf beschichtete Glasplatten) belichtet. Seine Portraits sehen auch sehr eindringlich aus. http://photographische-anstalt.de/#ambrotypien-2013
    Wir haben im letzten Urlaub mit ner alten Ritschratsch-Kamera mit Film fotografiert. Das Ergebnis sah original achtzigerjahre aus. Wirklich spooky. Eine wunderschöne Sammlung. Der Blick der Leute ist so intensiv.

  4. Ach, du schreibst immer so tolle posts.
    Man möchte in die Bilder reinkriechen und sich in der Zeit umsehen.
    Interessant die Diskrepanz zwischen dem aufwändig gestaltetem Haar und dem ungeschminkten Gesicht.
    Danke für die Links!
    LG, Katharina

  5. Danke für diesen Beitrag! Ganz wunderbar! ich kann die Stoffe wirklich auch fast fühlen und höre beim Schreiben dieser Zeilen tatsächlich Brahms… *g*
    Am meisten habe ich aber über das Ministrickstück geschmunzelt. :-)
    Liebe Grüße
    Lina

  6. Oh, das ist eine schöne Sammlung.
    Mir ist aufgefallen, dass fast alle Frauen einen sehr streng gezogenen Mittelscheitel hatten,
    die Frisuren trotz aller Zufälligkeit der Körperhaltung wie in Stein gemeißelt sind. Und das in den Zeiten vor der Erfindung des Haarsprays. Seltsam, oder?

    • Da denke ich immer, dass die ja damals ihre Haare nicht gewaschen, sondern nur gebürstet haben. Daher Glanz und Festigkeit :-) Aber habe in Wirklichkeit keine Ahnung, behalte ich mal auf der Forschungsliste, diese Frage.

  7. Diese extreme Strenge ist mir auch sofort aufgefallen, dieses Frisurendiktat, egal, ob es für das Gesicht passend war oder nicht. Da hatte eine Frau Glück, die gerade in den Zeitgeschmack passte. Die Köpfe müssen schon etwas gerochen haben, ab und zu gab es sicher Kopfwäsche, aber vielleicht nur im Sommer? denn das trockenn der lange Haare war sicher das Problem.
    Man sieht an den Fotos deutlich die Schichten, wer sich was leisten konnte, sowohl vom Material, als auch in der Verarbeitung.
    Zu der Zeit war Schminken der oberen Schichten nicht mehr angesagt, aber im Rokoko und Barock wurde schon geschminkt.

  8. Wirklich unheimlich deutlich die frühen Fotos. Ich sammele schwarz-weiß Fotos (allerdings nur billige und deshalb sind meine alle nicht so alt) und habe einige Studioaufnahmen, die dann so ab 1900 entstanden sein müssen. Die Menschen darauf sehen tatsächlich viel gestellter aus. Wird wahrscheinlich an der Technik liegen?! Damit kenne ich mich leider nicht aus. Aber ich werde ab jetzt mehr darauf achten, ob ich dazu irgendwas lesen kann. LG mila
    (leider kann ich es auf der Fotografie nicht erkennen, aber das, was die Dame mit der Haube da strickst sieht für mich fast nach tunesischer Häkelei aus… Wer weiß, was es damals alles für unterschiedliche Handarbeits-Techniken gab, von denen wir keine Ahnung mehr haben?)

  9. Also mich haben deine „Funde“ sehr erfreut!!!! Lese gerade mal wieder die Buddenbrooks, kann mir durch diese Bilder alles viel besser vorstellen.
    Das Foto von Brahms – dieser Blick ist einmalig – ein fescher Mann!
    Lina Plattner

Bitte Datenschutzerklärung beachten.

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..