1840er, Daguerrotypie, via GettyMuseum
Bilder aus der Anfangszeit der Fotografien sehe ich mir sehr gern an. Die Menschen wirken viel lockerer und lebendiger als in den Studioaufnahmen Jahrzehnte später. Das Kind darf sich an die Mutter lehnen, das Baby lachen. Die Locken sind echt, die Stoffe geknittert, die Blicke menschlich.
1855, Daguerrotypie, via GettyMuseum
Die Geschichte der Fotografie begann um 1840. Es gab Daguerreotypie, Salzpapiertechnik und andere Verfahren. Die meisten der Bilder hier gehören zum Getty Open Content Program. (Offenbar funktioniert zur Zeit die Datenbank nicht, so dass mir Links fehlen. Die allgemeine Suche ist aber weiter möglich.)
Ernestine, die Frau des Fotografen, hat nicht so richtig Lust, als Probemodell herzuhalten. Auch bei dieser Familie ist nicht jede mit Begeisterung dabei:
1847, Daguerrotypie via
Man könnte eine ganze Abhandlung zu den Kleidungsstücken schreiben. Schön zu erkennen zum Beispiel die Hose des sitzenden Mannes, die unten mit einem Steg über den Schuh geht.
Endlich einmal deutlich: Frauen schminkten sich nicht.
Da kann man die Ingres-Portraits aus derselben Zeit auch gleich einem Realitätscheck unterziehen.
Ingres, 1848, Wiki
Die Stoffe der Männerkleidung sind gut vorstellbar.
1847, Selbstportrait eines Fotografen
Diesen Mantel kann man fast fühlen…
um 1856, via
… und über dieses Strickzeug rätseln.
Es gibt erstaunlich viele Fotos von Arbeitern, Angestellten und Hauspersonal.
1847-50 Bedienstete in Holz(?)schuhen, Ausschnitt via
1843-48, Newhaven via
Fischer mit Jungen, Frauen im Gras.
1860/61, Marie Laurent, via
Marie Laurent war eine französische Schauspielerin. Auf diesem Foto posiert sie in historischer Kostümierung.
Die frühen Fotografien sind im Original ganz klein. Zum Glück kann man die Details digital heranzoomen.
1843-48
1856-58, Ausschnitt, via
1853
Eine ganz frühe Nähmaschine, so besonders, dass sie mit aufs Foto kam. Das Bild ist ein Screenshot aus diesem Video mit ersten Fotografien.
Zur Zeit läuft in London eine Ausstellung in der Tate mit Fotografien von damals: „Salt and Silver“ .
Zum Abschluss noch einen bekannten Mann: Johannes Brahms, 1853
Auch wenn man kein Klassikfan ist – Johannes blickt einen so an, dass man ein bisschen in seine Musik hineinhören muss.
Eine schöne Woche wünsche ich und hoffe, dass euch meine Funde ebenso erfreuen wie mich.
Danke für den schönen Artikel! Vor allem der Vergleich von Fotografie zu zeitgenössischer Malerei ist sehr erhellend – und bringt mich zum Schmunzeln! ;) herzl. Tanja
Wunderbar, bin ein großer Fan deines Blogs. Die „echten Menschen “ wirken wirklich viel lebendiger. Danke! P
Ein wunderbarer Beitrag und natürlich ein wunderbarer Blog.
Ich habe diese schönen textilen Geschichten erst vor kurzem entdeckt und freue mich immer, wenn es eine Fortsetzung gibt.
Vielen Dank für die Recherchen
Barb
Durch das Verfahren sind die Details irgendwie deutlicher. Vielleicht liegt es daran, dass sie so lebendig wirken. Ich kenne einen, der heute mit dem Ambrotypieverfahren (gleich auf beschichtete Glasplatten) belichtet. Seine Portraits sehen auch sehr eindringlich aus. http://photographische-anstalt.de/#ambrotypien-2013
Wir haben im letzten Urlaub mit ner alten Ritschratsch-Kamera mit Film fotografiert. Das Ergebnis sah original achtzigerjahre aus. Wirklich spooky. Eine wunderschöne Sammlung. Der Blick der Leute ist so intensiv.
Danke für den Link, toll. Da muss ich auch an diese rumänischen sehr besonderen Fotos denken https://www.flickr.com/photos/costicaacsinte/
Was die Zeit mit den Platten gemacht hat, Das sieht aus wie Kunst. Kannst du dir denken aus welcher Zeit die Aufnahmen sind? Auf einigen ist die Zahl 1940 eingeritzt. Was für ein schönes Zeitzeugnis. Dank dir dafür!
Das ist aus einem Fotostudio ab 1920 – siehe hier http://colectiacosticaacsinte.eu/
Liebe Schuschna, dein Tipp hat mich zu einem kleinen Beitrag inspiriert. Merci. Was für schöne alte Fotos, was für eine Arbeit für den Finder, sie alle zu restaurieren.
Ach, du schreibst immer so tolle posts.
Man möchte in die Bilder reinkriechen und sich in der Zeit umsehen.
Interessant die Diskrepanz zwischen dem aufwändig gestaltetem Haar und dem ungeschminkten Gesicht.
Danke für die Links!
LG, Katharina
Ich liebe diese historischen Fotos und finde es wirklich wunderbar dass man das heute einfach so angucken kann. Vielen Dank fürs Sammeln!
Danke für diesen Beitrag! Ganz wunderbar! ich kann die Stoffe wirklich auch fast fühlen und höre beim Schreiben dieser Zeilen tatsächlich Brahms… *g*
Am meisten habe ich aber über das Ministrickstück geschmunzelt. :-)
Liebe Grüße
Lina
Oh, das ist eine schöne Sammlung.
Mir ist aufgefallen, dass fast alle Frauen einen sehr streng gezogenen Mittelscheitel hatten,
die Frisuren trotz aller Zufälligkeit der Körperhaltung wie in Stein gemeißelt sind. Und das in den Zeiten vor der Erfindung des Haarsprays. Seltsam, oder?
Da denke ich immer, dass die ja damals ihre Haare nicht gewaschen, sondern nur gebürstet haben. Daher Glanz und Festigkeit :-) Aber habe in Wirklichkeit keine Ahnung, behalte ich mal auf der Forschungsliste, diese Frage.
Diese extreme Strenge ist mir auch sofort aufgefallen, dieses Frisurendiktat, egal, ob es für das Gesicht passend war oder nicht. Da hatte eine Frau Glück, die gerade in den Zeitgeschmack passte. Die Köpfe müssen schon etwas gerochen haben, ab und zu gab es sicher Kopfwäsche, aber vielleicht nur im Sommer? denn das trockenn der lange Haare war sicher das Problem.
Man sieht an den Fotos deutlich die Schichten, wer sich was leisten konnte, sowohl vom Material, als auch in der Verarbeitung.
Zu der Zeit war Schminken der oberen Schichten nicht mehr angesagt, aber im Rokoko und Barock wurde schon geschminkt.
Tolle Fotos. Ich freue mich immer darüber, was du so für Berichte zauberst, Lg Aylin
DANKE, wunderbare Fotots, ein Geschenk zum Tagesabschluss, Dein Blogartikel! :-)
Wirklich unheimlich deutlich die frühen Fotos. Ich sammele schwarz-weiß Fotos (allerdings nur billige und deshalb sind meine alle nicht so alt) und habe einige Studioaufnahmen, die dann so ab 1900 entstanden sein müssen. Die Menschen darauf sehen tatsächlich viel gestellter aus. Wird wahrscheinlich an der Technik liegen?! Damit kenne ich mich leider nicht aus. Aber ich werde ab jetzt mehr darauf achten, ob ich dazu irgendwas lesen kann. LG mila
(leider kann ich es auf der Fotografie nicht erkennen, aber das, was die Dame mit der Haube da strickst sieht für mich fast nach tunesischer Häkelei aus… Wer weiß, was es damals alles für unterschiedliche Handarbeits-Techniken gab, von denen wir keine Ahnung mehr haben?)
Wahnsinnig intensive Fotos!vielen Dank!
Johannes Brahms „1953“?
Ansonsten: Super Seite!
Ist korrigiert, danke für den HInweis.
[…] wie Menschen vor 150 Jahren gekleidet waren, die sich (anders als die bürgerlichen Familien in diesem Beitrag) keinen Fotografenbesuch leisten […]
Also mich haben deine „Funde“ sehr erfreut!!!! Lese gerade mal wieder die Buddenbrooks, kann mir durch diese Bilder alles viel besser vorstellen.
Das Foto von Brahms – dieser Blick ist einmalig – ein fescher Mann!
Lina Plattner