Stoffspielerei im Oktober: Irische Häkelei

Karen hat im Oktober das Motto „Loch und Löcher“ für die Aktion Stoffspielerei ausgegeben.  Zur Illustration hat sie ein Foto von einer Spitzendecke gezeigt, die sehr nach irischer Häkelei aussieht. Da lag es für mich nahe, mich noch einmal mit dieser speziellen Häkeltechnik zu beschäftigen.

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Im Anleitungsbuch „Priscilla Irish Crochet Book No 2“  von 1912 habe ich mir diese Knöpfe herausgesucht und sie – sehr frei – nachgehäkelt.

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Mit viel stärkerem Garn als im Original. Zum Üben der Bouillonmaschen (die gewickelten Elemente) war das auch notwendig, mehr als acht Umschläge habe ich mir noch nicht zugetraut.

In dem Buch habe ich nicht nur die Knöpfe gefunden, sondern auch das Muster für Karens Foto – genannt „Wheels“, Räder.

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Viele Räder zusammgehhäkelt würden die Decke bei Karen ergeben.

Die irischen Spitzenhäkelei, „Irish Crochet“, hat mich schon lange interessiert, weil die Stücke oft unsymmetrisch und wild, offenbar improvisiert zusammengestellt sind.

priscilla1Priscilla Irish Crochet Book No 1

Die traditionelle irische Häkelspitze wird meist mit drei verschiedenen Fadenstärken gearbeitet. Ornamente und Motive wie Blüten und Blätter werden zunächst einzeln gehäkelt, teilweise über einen stärkeren Faden, so dass eine reliefartige Oberfläche entsteht. Später werden diese Einzelteile dann mittels einen sehr feinen Häkelnetzes verbunden, das Ergebnis erinnert optisch an Klöppel- oder Nadelspitze.

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Priscilla Irish Crochet Book No 1, Antique Pattern Library

Vor längerer Zeit schon einmal habe ich verschiedene Figuren probiert und dabei dieses Buch als Vorlage genommen. Über einzelne Ornamente und Bortenproben bin ich dabei nicht hinausgekommen, habe die Stücke aber wenigstens zur Ansicht auf Papierbögen genäht.

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Wie fein die Häkelei sein konnte. zeigen diese Details irischer Spitze von ca. 1850 aus der Sammlung des Metropolitan Museums:

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Mit sehr feinen Fäden gehäkelt, sollten diese Arbeiten die kostbaren Nadel- oder Klöppelspitzen imitieren.  Die Häkelei ging schneller voran als die Arbeit mit Nadeln und Klöppeln, so dass die irische Spitze  günstiger angeboten werden konnte.

Diese  Häkelspitzen wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die irische Bevölkerung, die unter Armut und Hungersnöten litt. Mit lediglich einer Häkelnadel und Garn ließen sich die Arbeiten überall, vor allem auch in Heimarbeit ausführen, so dass viele Tausende das Handwerk erlernten und durch die Herstellung und den Verkauf der Spitze zum Einkommen der Familie beitragen konnten.  Die irischen Häkelspitzen wurden in andere Länder exportiert und waren vor allem in Paris, Wien und den USA sehr beliebt. So beliebt, dass man sie in anderen Ländern bald kopierte. 1911 beklagt sich eine irische Firma in einer Anzeige über die billigen Kopien außerhalb Irlands. Ein Yard (90 cm) eines Spitzengewebes sei bei ihnen für 32,50 $ im Angebot. Für die Herstellung dieses Yards brauche es 3 Wochen Arbeit, 8 Stunden täglich.

Diese beiden 1912 in New York fotografierten Mädchen arbeiten gerade an irischer Spitze, für einen Dollar in der Woche:

„Katie, 13 Jahre alt, und Angeline, 11 Jahre alt, machen Ärmelbesätze, Irische Spitze, Einkommen etwa 1 Dollar die Woche. Arbeiten einige Abende bis 8 Uhr. New York City“  1912  Quelle WikiCommons

Mit solcher Handarbeit konnten Familien aber nur noch bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts Geld verdienen. Das Aufkommen industriell hergestellter Spitze und der sich ändernde Modegeschmack ließen die Einkommensquelle bald versiegen. Heute ist irische Häkelspitze ein feststehender Begriff. Die Einflüsse dieser Technik wirken auch heute noch vor allem in der Handarbeitstradition  Italiens, Osteuropas und Russlands  fort.

Danke, Karen, für das Thema, dass mir eine Steilvorlage für einen weiteren Ausflug in die Geschichte der Handarbeiten geliefert hat. Danke auch für das Sammeln weiterer Links. Mal sehen zu welchen Ergebnissen das Thema Löcher noch geführt hat!  Drüben bei Karen läßt sich das herausfinden.

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18 Kommentare

  1. Wunderbar, ich bin hellauf begeistert! Unglaublich, dass du genau dieses Muster dort gefunden hast!!! Wenn solche aufwändigen Knöpfe trägt, erübrigt sich jeglicher Schmuck.
    Es ist einfach irre welche Mühe in dieser Art von Häkelei steckt und wie vielfältig sich auf der Erde solche Arbeiten vorrangig im 19.Jh.entwickelt haben , ganz zu schweigen für welchem Lohn dieses Dinge gearbeitet wurden. Ich habe ein antiquarisches Buch über Spitzen bekommen, das muß ich mir auch mal vornehmen. Ganz herzlichen Dank für deinen Beitrag.Unsere thematische Runde ist immer wieder ein Gewinn.

  2. Deine Knöpfe und deine aufgenähten Beispielhäkeleien finde ich schon sehr gelungen. Aber dann diese Abbildung einer irischen Häkelei, die so botanisch anmutet. wie Farn. Ich hatte definitiv keine Ahnung von dieser Art von Kunst, hätte beim Anblick der Werke wohl tatsächlich an Klöppeln gedacht. (Und ich bin heilfroh, dass ich mein Geld nicht mit solcher Geduldsprobe verdienen muss…) LG mila

  3. Wow, kannst du super häkeln. Eigentlich wusste ich das ja sowieso, aber ich bin immer wieder total beeindruckt. Überhaupt, diese irischen Häkeleien sind ja wunderschönst!
    Tja, wie gut dass wir unsere Handarbeit als Hobby betreiben dürfen und uns nicht für unser Knäckebrot und Gouda – oder das unserer Kinder ;) – die Finger blutig häkeln. Das ist wirklicher Erste-Welt-Luxus… Toller und informativer Beitrag, danke.
    Liebe Grüße, frifris

  4. Himmel, was du da wieder ausgegraben hast- davon habe ich ja noch nie gehört!
    Wenn man diese Dinge mit den Ex – und Hopp – Textilien von heutzutage vergleicht, da wird mir ganz schwummrig.
    Die arbeitenden Mädchen damals in New York mit den Gören der Primark-Hauls…..
    Was sich gesellschaftlich in den letzten 100 Jahren getan hat lässt sich auch wunderbar an der Textilgeschichte ablesen. Schön, dass du das mal ausprobiert hast!

  5. So fein und reich an Details! Das irische Häkeln war mir bisher kein Begriff, nun bin ich begeistert. Vor allem die Zusammensetzung solch unterschiedlicher Teile, z.T. kompakt, z.T. fragil, gefallen mir. Vielen Dank fürs Zeigen!
    Herzliche Grüße von Sabine

  6. Sehr interessant Deine Fundsachen, Geschichtsdaten und Experimente. Diese filigrane Häkelei finde ich auch faszinierend. An Knöpfe habe ich bisher nicht gedacht und dergleichen bisher nirgends gesehen. Im Frühjahr habe ich weiße Blumen gehäkelt, wenn auch nicht mit solch filigranem Material. Dafür sind solche Muster gut frei anzuwenden.
    Die Themenmusterhäkelei habe ich gefunden im Anleitungsblatt Nummer 2283 vom Verlag für die Frau mit dem Namen Motivhäkeleien.
    LG Ute

  7. Liebe Suschna, was für ein toller Beitrag! Ich bin ein großer Fan von alten Handarbeitstechniken, auch wenn ich in den letzten Jahren durch meine Arbeit wenig dazu gekommen bin. Das wird sich nun aber wohl ändern… Durch meiner derzeitige Umstellung auf vorwiegend ungiftige Maltechniken, bin ich auch dabei die Augen offen zu halten, was mit Garnen und Stoffen möglich ist. Besonders Deine Stoffspielereien, die die Natur imitieren, finde ich ganz großartig!! Darf ich Dich tagen, welche Farben Du auf Stoffen verwendest? Frohes Schaffen & viel Inspiration! Herzl. Grüße Tanja

    • Liebe Tanja, vielen Dank! Die nachgeahmte Natur ist mit Aqarellfarben (Schmincke Horadam) bemalt, siehe der Farbkasten beim letzten Falsch-Echt Beitrag mit den Blättern. Ich habe auch schon Pflanzen/Früchte zum färben benutzt, die Farben sind aber ja leider nicht lichtecht. Da ich die Falsch-Echt-Sachen im Rahmen verkaufe, wollte ich, dass wenigstens der „falsche“ Anteil seine Farbigkeit erstmal behält. Dass der echte Teil mit der Zeit verbleicht und zerfällt wird, ist Teil des Konzepts. Dazu schreibe ich bald noch einmal extra etwas.
      Bei bemalter Kleidung/Deko/Schmuck, die waschbar oder abwaschbar sein soll, nehme ich Stoffmalfarben – aber das meinst du vermutlich nicht…

      • Liebe Suschna, Dir ganz herzlichen Dank für die Antwort. Dein Einsatz der Aquarellfarbe ist klasse! Ich mag die Mimikry-Arbeiten sehr!! Du sagst, Du verkaufst sie auch… Versiehst Du Deine Bilder mit UV-Glas? Das Thema ist hier auch grade auf der Tagesordnung… lg t

      • Verkaufe nur als Freundschaftsdienst zu Freundschaftspreisen, da sind schon normale Rahmen ein teurer Posten :-)

  8. Liebe Suschna, da Du der Spezialist für Handarbeit bist, wollte ich Dich noch in einer anderen Sache um Rat fragen. Ich habe vor fünf oder sechs Jahren in einer Fachbuchhandlung ein dickes Buch über Kreuzstichmuster aus dem 18. oder 19. Jhd. in der Hand gehabt. Die Motive waren hauptsächlich Bordüren mit Blumen, Obst und exotischen Tieren, die an die Malerei in Barockschlössern erinnerte. Sagt Dir das zufällig etwas? Ich bin auf der Suche nach diesem Buch, oder ähnlichen Vorlagen, bin bislang aber leider nicht fündig geworden. Selbst der Buchhändler wußte nicht, wovon ich spreche… Anbei ein Motiv, in der Art, wie ich es suche: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/BIJEOHNGSFQCLOSZ2ZH7NDGA7YBYACEJ
    Herzl. Dank & liebe Grüße Tanja

  9. War das ein altes oder neues Buch? Deutsch o.andere Sprache? So in dieser Art: http://www.amazon.com/Treasury-Embroidery-Designs-Patterns-Collections/dp/0713525061
    „Berlin Work“ war auch Kreuzstich und sieht so ähnlich aus, siehe Google-Bildersuche.
    Solche Muster gabe es immer viele, hier scheint ein guter Überblick zu sein: http://www.pinterest.com/CLinVA/antique-needlework-and-patterns/ Da ich nicht bei Pinterest angemeldet bin, sehe ich leider nicht alles. Damit könntest du vielleicht das, was du gesehen hast, zeitlich etwas eingrenzen. Ab 1880 gibt es Kreuzstichmuster bei der genannten Antique Pattern Library, http://www.antiquepatternlibrary.org/html/warm/xstitch.htm
    vorher sicher auch Musterbücher in digitalen Sammlungen verstreut, man müsste nur dann die Zeit etwas mehr eingrenzen können.
    Beispiele über die Jahrhunderte auch bei http://www.vam.ac.uk/content/articles/h/a-history-of-samplers/. Gerade habe ich nicht so viel Zeit zu recherchieren, vielleicht später mehr.

  10. Liebe Suschna, danke Dir ganz herzlich!! Das sind ja tolle Infos! Da finde ich jede Menge Material an das ich gedanklich anknüpfen kann. Werde mich melden, wenn die erste Arbeit fertig ist :-) Dir eine schöne Woche & herzliche Grüße – Tanja

  11. Liebe Suschna,
    via Google bin ich auf der Suche nach Irish-Crochet-Vorlagen hier gelandet :-)
    Herzlichen Dank für Deinen geschichtlichen Abriss!
    Ich liebe die irische Häkelei und bin bei meiner Recherche auf eine immense Sammlung historischer Anleitungshefte und Bücher gestossen:
    http://www.antiquepatternlibrary.org/html/warm/crochet.htm

    Nun habe ich eine Frage: Ich kann zwar die alten englischen Häkelanleitungen gut lesen oder aus dem Zusammenhang herleiten. Manches geht aber auch nur durch Ausprobieren.
    Jetzt bin ich aber an einer Blüte, da reissen alle Stricke.
    Weisst Du, wisst Ihr, wo ich Übersetzungen dieser ganz alten Begriffe finde? Die einschlägigen Übersetzungen habe ich bereits durchgeforstet.

    Herzlichen Gruss und viel Freude beim Er-Schaffen,
    Caro

    • Liebe Caro, leider bin ich inzwischen in dem Thema nicht mehr drin, ich müsste da auch erst wieder recherchieren. Aber auf Englisch findest du bestimmt Seiten, die da helfen. Antique pattern library ist ja ziemlich bekannt und es gibt bestimmt im englischsprachigen Raum andere mit dem Verständnisproblem.
      Viel Erfolg!

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