Top und Flop im Urlaub

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Brandneue Schuhe und uralte Katzenspuren. Nachfolgend eine geballte Ladung Urlaubserinnerungen – kann gern auch in kleinen Stücken genossen werden.

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Urban Crochet in Llanca, Costa Brava

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Dort wurden sogar Kajaks eingehäkelt – komischerweise aber nannten sie es Urban Knitting.

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Portbou

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Hier in der spanischen Grenzstadt gleich neben Frankreich nimmt sich 1940  der Philosoph Walter Benjamin in einem Hotel das Leben. Er fürchtet die Auslieferung an die Deutschen, seit sieben Jahren ist er bereits auf den Flucht vor den Nazis. Heute führen in seinem Gedenken Stufen endlos ins Meer – ein sehr beeindruckendes Denkmal.

Walter Benjamin beschäftigte sich auch mit der Mode, denn er war überzeugt davon, dass sich in ihr zukünftige Entwicklungen ablesen lassen:

„Jede Saison bringt in ihren neuesten Kreationen irgendwelche geheimen Flaggensignale der kommenden Dinge. Wer sie zu lesen verstünde, der wüsste im Voraus nicht nur um neue Strömungen der Kunst, sondern um neue Gesetzesbücher, Kriege und Revolutionen.“

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Häkelgarn ist so wichtig wie ein Taschenmesser

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Mein Knäuel leistete so gute Dienste! Die Hüte bekamen Bänder gegen das Wegfliegen im Tramontane-Wind, der Rock wurde mit dem Garn zur Hängegardine, der flatternde Sonnenschirm am Strand konnte an Steine gebunden und gesichert werden.

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Burkini

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Hin und wieder hatte ich W-Lan und konnte den Aufschrei verfolgen, der außerhalb Frankreichs durch den Burkini-Bann an französischen Stränden ausgelöst wurde. Vor Ort sah die Sache ganz anders aus und ich wunderte mich über die platte und verfälschte Berichterstattung im Ausland. Wieso will niemand wissen, was in Frankreich anders ist, warum ein so irrationales Verbot einen so breiten Konsens in einer eigentlich ganz vernünftigen Bevölkerung haben kann – nicht nur unter Rechten? Wenn ich das Verbot auch nicht gutheißen konnte, so konnte ich doch nachempfinden, warum die Menschen an der vom Terrorismus so hart getroffenen Mittelmeerküste jedenfalls im Moment am „Tatort“ keine Zeichen eines konservativen Islam sehen wollen, Pietät verletzt sehen. Aber das ist nicht alles, und mehr dazu sprengt hier den Rahmen…

tag5   Hotelkissen à la Louise Bourgeois – ein Zukunftsprojekt!

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Cloître Saint-Trophime in Arles mit in Stein gehauenen Textilien.

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Musee des Tissus in Lyon

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Die größte Enttäuschung des Urlaubs. Ich hätte (wie damals in Bayeux) fast geheult, als ich nach langer Anreise endlich die abgedunkelten Räume in dem altem Stadtpalais in Lyon betrat und merkte: Der ganze Aufwand wird sich nicht lohnen. Große kostbare Stoffbahnen hinter Glas mit langwierigen Erklärungen in winziger Schrift, die ich auch mit Lesebrille nur mit Mühe entziffern, geschweige denn verstehen konnte. Mein Französisch ist alltagstauglich, aber für die gedrechselten Bandwurmsätze reichte es nicht. Übersetzungen in andere Sprachen? Fehlanzeige. Wie in allen Museen, die den Schuss noch nicht gehört haben, verhindert ein Fotografierverbot, dass man wichtige Details später zuhause nachrecherchieren kann.

Das Museum mit einer der größten Stoffsammlungen der Welt (von der man nicht viel zu sehen bekommt) stand aus Finanzierungsgründen kurz vor der Schließung, ich hatte hier darüber berichtet und auch eine Petition für die Rettung unterzeichnet. Sicher hängt das rückständige Konzept auch mit Geldmangel zusammen, daher muss man die 10 Euro für den Eintritt schlucken und sich mit der visuellen Schönheit der alten Seiden (und einiger fein restaurierter Kostüme) begnügen.

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Wie eine gute Vermittlung aussehen kann zeigt das Monastère Royale de Brou in Bourg en Bresse. Ein Zufallsstop, der mich hellauf begeistert hat. Das spätmittelalterliche Kloster ist eine einzige große Liebeserklärung einer starken Frau an ihren nach nur kurzer Ehe verstorbenen Mann. Margarete von Österreich wurde als 24 jährige schon zum zweiten Mal Witwe, nach nur zwei Jahren Ehe mit Philibert dem Schönen. Sie heiratete nie wieder und ließ für die Grabstätte ein großes Kloster mit einzigartigen Steinmetzarbeiten errichten. Die Ornamentik ist übersäht mit durch Kordeln verschnürten Initialen, P&M für Philibert und Margarete, aus Stein gehauenen Margeritenblüten (ihre Blume), Federn (weil sie eine gebildete Frau war) und ziselierten Grünkohlblättern (warum, weiß das jemand?).

Sie war wirklich eine Motto-Queen, denn ihren Wahlspruch, ein Wortspiel:

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„Fortune Infortune fort une“, findet man zigfach aus Stein und auf Glas verewigt. Ich übersetze es mir mit  „Glück und Unglück macht Eine stark“. Ich hätte noch viel länger dort bleiben können. Der Audioguide auf Deutsch erklärte alles sehr gut und mit der Möglichkeit, bei Bedarf auch immer weiter ins Detail zu gehen.

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Vom spätgotischen Prunk nun ein starker Schwenk in die französischen Pyrenäen, dort lief ich ein bisschen ganz allein auf dem Jakobsweg. Auf Zeichen der höheren Mächte musste ich nicht lang warten. Zuerst lag ein Museum am Wegesrand, das Musee de Cerdagne, ein alter Hof mit sprechendem Gemüsegarten und Erklärungen der örtlichen Traditionen wie der Schafzucht. Dort lernte ich, dass schwarze Schafe eigentlich gar nicht schwarz sind – die weißen und braunen Socken auf dem Foto sind aus ungefärbter Schafwolle gestrickt.

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Das nächste göttliche Zeichen auf meinem Mini-Jakobsweg war dann ganz eindeutig: Irgendwo auf einem Hügel erhielt ich die Nachricht, dass in der Heimat Riesenbuchbestellungen eingingen (juhu!), aber logistische Probleme zu meistern waren.

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So saß ich da auf der Hochebene und verschickte Orga-SMS. Es hat dann alles gut geklappt, irdischen guten Geistern sei Dank.

Damit ist die Sache ist klar! Ich mach dann mal so weiter…

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8 Kommentare

  1. Hm, ich habe im Museum in Lyon vor zwei Jahren fotografiert. Da hat sich wohl einiges geändert. In dem zentralen Palais war eine Sonderausstellung mit Kostümen der Lyoner Oper, auf Schneiderpuppen, ohne Glas, man konnte ganz nah ran, zum Teil sogar drumherum gehen. Erklärungen nur französisch, wie so oft in F., aber verständlich – mich hat damals sehr begeistert, dass wirklich jedes verwendete Material, jede verwendete Technik und jede beteiligte Handwerkerin und Künstlerin aufgeführt wurde. So sorgfältig habe ch das selten gesehen. Einen Film aus den Theaterwerkstätten gab es auch. Die Dauerausstellung war im Vergleich dazu etwas altmodisch, das stimmt, aber enttäuschend fand ich sie nicht. Wegen der unsicheren Finanzierung gab es sicher keine Kapazitäten für neue Sonderausstellungen.
    Im Stadtteil Croix Rousse gibt es auch noch ein kleines Seidenmuseum, in dem es Führungen gibt, bei denen man einen Jacquardwebstuhl in Betrieb sehen kann und einen älteren Webstuhl vor der Jacquardtechnik, bei dem die Litzen noch von einer zweiten Person per Hand bedient werden mussten. (Die Führung gab es – pro forma – auch auf englisch, aber ich habe dieses typisch französische Englisch nicht wesentlich besser verstehen können als die französischen Erklärungen. Ohne Französischkenntnisse ist man oft einfach aufgeschmissen.)

    • Von dem zweiten Museum haben wir auch erst am Ende erfahren, aber wir hatten sowieso zu wenig Zeit (standen vorher stundenlang im Stau auf der Autobahn). Daher war ich wohl auch überzogen enttäuscht, ich hatte mit zu sehr auf den Besuch gefreut – das ist ja nie so gut, wenn man zu viel erwartet.
      Aber es stimmte, die Erklärungen waren sehr detailliert – soweit ich das beurteilen kann, optisch war das mühevoll zu erkennen mit meinen alten Augen.

  2. En vielfältger Urlaub. Schön, dass das Kloster die Enttäuschung davor wieder wettmachen konnte.Die Grünkohlbätterfrage finde ich auch spannend. Vielleicht weiß es jemand.
    Die Häkelkreises erinnern mich an eine Gasse in Reus in Spanien, in der viele bunte Schirme hingen.Solch farbefrohe Installionen sieht man eher in warmen Ländern, obwohl man es in kühleren Gegenden doch viel nötiger hätte.
    Bunte Grüße

    • Ich fand diese Hängekreise auch sehr schön in der Gasse. Solche Woll-Eingriffe können ja auch sehr beliebig sein, nicht immer passt das.

  3. Was für eine vielfältige Urlaubsreise mit so vielen spannenden Stops. Die Häkelkreise wirken zauberhaft. Und der Gedenkort für Walter Benjamin berührt. Das Kloster. Die himmlischen Zeichen ;-) Danke dir für deine nicht enden wollende Lust uns so Spannendes zu erzählen. Lieben Gruß Ghislana

  4. Danke für Deinen schönen Urlaubs-Einblick. Sind die Katzenspuren tatsächlich echt? Und mehrere hundert Jahre alt? Beim ersten Lesen hatte ich einfach drübergelesen… Jetzt freue ich mich auf die Fortsetzung vom polnischen Strandfoto. Du machst es spannend! lg, Gabi

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