Wäschemangel beim Abendmahl

Wäschemangel, was ist das? Ein Mangel an Wäsche? Nein, eher das Gegenteil: Die Wäschemangel sorgt für einen akkuraten Stapel glatter, sauber duftender Wäsche. Mit gleichmäßigen Plättfalten, wie beim Tischtuch dieser göttlichen Festtafel auf dem Olymp. Das Bild hat gerade bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris Furore gemacht.

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By Jan van BijlertOwn work, RMN / Stéphane Maréchalle2009, CC0, Link

Nicht ganz ohne Grund wurde die Nachbildung diese Szene von manchen Kritikern mit dem Heiligen Abendmahl verwechselt. Für uns sind die gegenseitige Anspielungen aber egal, denn überall fragen wir uns: Wer hat bloß diese Tischtücher so akkurat gebügelt?

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Das letzte Abendmahl, Philippe de Champaigne, 1602-1674

Bei dieser Abendmahlszene aus dem 17. Jahrhundert hat der Barockmaler sich große Mühe gegeben, die gepressten Rechtecke im Stoff genau wiederzugeben. Sie sind ein wichtiges Element im Bild. Nicht nur grafisch, sie stehen auch für eine reines Tuch, für einen sorgfältigen Haushalt. Ja, einen sorgFÄLTIGEN!

Wurden die Falten wirklich hineingebügelt? Gewissermaßen ja. Allerdings vermutlich nicht von einem einzigen Menschen mit einem Bügeleisen, sondern im großen Stil, mit einer Mangelanlage. Vielleicht ja sogar mit einer wie dieser aus dem 17. Jahrhundert. Diese Textilmangel wird mit Wasser betrieben.

Textilmangel, angetrieben von einem Wasserrad – Deutsche Fotothek, Germany – PD

Auf den ersten Blick alles sehr verwirrend. Wo wird denn da Wäsche geglättet? Aber es ist nicht so schwer: Wesentlich für den Prozess sind die länglichen Rollen auf der Abbildung, Kuchenrollen ähnlich. Um diese Rollen wird die zu glättende Wäsche gewickelt. Dazu dient die Konstruktion vorn auf der Abbildung, über die Stoff gespannt ist.

Hinten rechts erkennt man die umwickelten Rollen auch unter dem großen Kasten. Was in dem Kasten wie Heuballen aussieht, das sind Steine.

Schwerer Druck auf Rollen, dieses Plättprinzip hat sich bis in das letzte Jahrhundert gehalten. Ich wusste selbst nichts davon, wäre ich nicht vor Kurzem in den Keller einer Wohnungsgenossenschaft eingeladen worden. Dort steht nämlich dieses Ding:

Im Prinzip ist das eine ähnliche Anlage wie auf dem Kupferstich oben. Ihr seht die Rollen unter dem Holzkasten. Und wenn man den Kasten öffnet…

… ja, dann finden sich viele schwere Steine darin. Gut eine Tonne mag es sein.

Nur die Ältesten in der Genossenschaft wissen noch, wozu das Gerät zur Zeit der Anschaffung gedacht war: „Ja klar, das ist eine Wäscherolle, eine Kastenmangel.“ Mit der Mangel konnten die Haushalte ihre Wäschestapel aus Leinen oder Baumwolle glätten. Handtücher, Bettwäsche, Tischdecken, Nachthemden, Leibchen und mehr wurden eingerollt und gepresst. Das Ergebnis war eine glänzende und geschmeidige Weißwäsche. Dieser Luxus war vor hundert Jahren so begehrt, dass sich auch die Wohnungsgenossenschaft eine Kastenmangel leistete. Eigentlich gab es solche Geräte damals nur in großbürgerlichen Haushalten oder in Geschäften als kommerzielles Angebot zum stundenweisen Mieten.

Beim Anblick der Konstruktion fragt man sich: Wie funktioniert das denn nun genau? Wie kann zum Beispiel ein großer Bettbezug, darunter geglättet werden, ohne zu knittern und zu verschmutzen? Wie gesagt, das für die Arbeit wesentliche Element waren die langen, mit einem sogenannten Rolltuch umwickelten Holzrollen, die unter den Kasten geschoben wurden.

In dieses robuste Rolltuch wurde die gewaschene und getrocknete Wäsche möglichst straff eingelegt . Größere Wäschestücke mussten dafür vorher sauber gefaltet sein.

Der Druck des Steinkastens, der mit viel Körperkraft mehrmals hin und her gekurbelt wurde, machte die Leinen- oder Baumwollfasern mürbe und brachte einen feinen Glanz auf den Stoff.

Beim Abwickeln der Rollen erschienen dünn geplättete Stapel, fertig für den Wäscheschrank.

Die Rolltücher aus festem Leinen sind bestimmt einigen noch bekannt. Sie hatten in späteren Zeiten eingewebte Muster und hübsch ornamentierte Ränder. Hier die Bordüre eines Rolltuchs, auf der Heinzelmännchen den Prozess des Mangelns mit einer Kastenmangel vorführen:

Weil eine Kastenmangel nur über den starken Druck funktioniert, wurde sie auch Kaltmangel genannt, im Gegensatz zur Heißmangel, bei der der Glättungsprozess durch Hitze erfolgt. Wer ähnliche Mangeln im Betrieb sehen möchte, muss bei Youtube nur „Kastenmangel“ in die Suche eingeben. Einige Museen zeigen die Anwendung.

Heute fragen wir uns, was der ganze Aufwand sollte. Kaum jemand mangelt heutzutage noch seine Wäsche. Was wir dabei vergessen: Damals war die Stoffqualität meist unbehandelt und die getrocknete Wäsche kam knittrig und steif wie ein Brett von der Leine. Inzwischen machen neue Materialien und Faserbeschichtungen das Weichmachen und Bügeln oft überflüssig.

Jedenfalls finde ich es immer sehr spannend, wie wichtig auf früheren Abbildungen diese sauberen Falten in Tischtüchern oder anderen Leinenstoffen waren.

Familie aan tafel tijdens het tafelgebed, Abraham Bosse, ca. 1635

In heutiger Zeit hätte man die Falten im unteren Bereich der Schürze dieses Jungen sicher herausgebügelt, damit alles schön glatt und einheitlich aussieht.

Portret van Johannes van Rees (1662-1690/91), Willem Jansz. Ploy (toegeschreven aan), 1663

Bei dieser Haube sind die Plättfalten auch schön sichtbar:

Portret van Elburga van Boetzelaer (?), Wouter Pietersz. I Crabeth, 1561 – 1568

Was soll nun also aus der Mangel im Keller in der Genossenschaft in Berlin werden? Weiß jemand Museen oder Sammler, die daran Interesse hätten? Oder könnte jemand das Holz oder die Steine gebrauchen? Vielleicht ließe sich auch eine Druckerpresse daraus machen. Vielleicht findet die Zeitzeugin vergangener Haushaltslasten ja doch noch eine würdige Weiterverwertung. Falls jemand was weiß, bitte melden, per Kommentar oder Email!

11 Kommentare

  1. Wenn iich da wohnen würde, würde ich sie gerne benutzen. Ich habe geerbte Damastbettwäsche, die nur durch mangeln schön werden würde. Bügeln macht die nicht richtig glatt. Physik (Druck) ist echt der Hammer.

    Ich wohne übrigens im Wedding, aber nicht bei einer Genossenschaft.

    LG

    • Ja, probieren würde ich auch gern mal – aber da ist erstmal eine große Saubermachaktion nötig, und es fehlen wohl auch Teile.

  2. Wie schön, wieder einmal von dir zu lesen, liebe SuSchna! Hätte ich einen Platz dafür, ich würde sie sofort nehmen. Wie sieht es denn bei den Textilmuseen rund um Berlin aus? Constanze und du, ihr hattet doch einmal eine lange Liste von Museen angelegt. Bevor die Kaltmangel einfach entsorgt wird, würde ich vielleicht noch Kontakt mit Lokaltextil in Leipzig aufnehmen. Die haben viele Kontakte zu lokalen Gewerbebetrieben, wo die Maschine vielleicht sogar noch verwendet werden würde, nicht nur Ausstellungsstück sein. Liebe Grüße, Gabi

    • Danke für den Tipp!

      Generell habe ich die Erfahrung gemacht, dass es schwer ist, Sachen irgendwohin zu spenden. Überall fehlt Geld und Raum für die Aufbewahrung und Pflege bzw. Aufbereitung. Geht mir ja sogar selbst so, ich muss auch alles ablehnen, was mir aus Nachlässen etc so angeboten wird, leider.

  3. Wie schön, wieder einmal von dir zu lesen, liebe SuSchna! Hätte ich einen Platz dafür, ich würde sie sofort nehmen. Wie sieht es denn bei den Textilmuseen rund um Berlin aus? Constanze und du, ihr hattet doch einmal eine lange Liste von Museen angelegt. Bevor die Kaltmangel einfach entsorgt wird, würde ich vielleicht noch Kontakt mit Lokaltextil in Leipzig aufnehmen. Die haben viele Kontakte zu lokalen Gewerbebetrieben, wo die Maschine vielleicht sogar noch verwendet werden würde, nicht nur Ausstellungsstück sein. Liebe Grüße, Gabi

  4. Sehr schöner Beitrag. Ich (63) kenne diese Mangel noch aus meinen Kindertagen, als ich mit meiner Mutter zu einer Wäschemangel in der Nachbarschaft ging, um unsere Bettwäsche und Handtücher zu mangeln. Als Kind empfand ich das als großes, etwas gruseliges Ungetüm, weil es ja rumpelte und polterte und knarzte. Es hatte was gespenstisches. Aber ich erinnere mich auch, dass die Wäsche danach sehr schön glatt und glänzend aussah. Das schafft man tatsächlich nicht mit einem Dampfbügeleisen. Ich nehme auch an, dass es an dem Druck lag, dass die Fasern so geglättet wurden. Man musste darauf achten, dass die Wäschestücke ganz glatt und gerade in das Rolltuch eingewickelt wurden und dass die Rollen dann richtig herum in den Kasten gelegt wurden, damit sich diese nicht aufrollten, wenn der Kasten darüber rollte. Diese hatte einen Motor, der den Kasten vor und zurück geschoben hat. Ich wohne in Eilenburg in der Nähe von Leipzig und hier gab es den Wäscherollenbau Gebrüber Kopsch, der weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt war. Und es gibt hier noch eine Heimatstube in Hohenprießnitz, in der man die Wäscherolle noch in Aktion erleben kann (bei Veranstaltungen). In der Nähe von Grimma gibt es wohl auch noch eine alte Wäscherolle, die noch in Funktion ist. Und ich kaufe auf Flohmärkten alte Rolltücher, weil man daraus z.B. Einkaufsbeutel nähen kann.

  5. Ich freue mich riesig wieder von dir zu lesen! Selbst in einem Plattenbau Anfang der 70er Jahre in Cottbus, gab es es solch eine Kaltmangel , die ich mit meiner Mutter bedient habe. Und auch hier in der Genossenschaft gab es so etwas noch aktiv Anfang der 90er. (Muß mal fragen, was damit passiert ist!)Um Leinendamast echt zur Geltung zu bringen, braucht es einfach Druck. Das geht auch mit dem Bügeleisen, ist aber mühsamer. Es lohnt sich am letzten Wochenende im August nach Rammenau zu fahren, zu den Leinentagen. Im dachgeschosses des Schlosses sind meist die antiken Händler. Ich liebe alte Leinentücher, sie sind der Untergrund meines Schmuckstandesund werden inzwischen teuer gehandelt.Ich habe eine Freundin, deren Großmutter hat die scharfen Knicke der Mangel zu Hause mit dem Bügeleisen glatt gebügelt. Deutsche Gründlichkeit oder einfach nur pingelig!?Deine Empfindung sinnvoll zu spenden sei schwierig, kann ich nur bestätigen, aber ich versuche es seit vier Jahren regelmäßig.

    herzliche frisch gebügelte Grüße von Karen

    • Freue mich auch! Wunderbar, dass du dich auch noch erinnern an die Mangeln erinnern kannst. Und Danke für den Hinweis auf die Leinentage und Rammenau, davon hatte ich noch nie gehört. Das behalte ich im Auge.

  6. Ach, das ist aber schön, dass Du wieder schreibst. Ich kenne aus meiner Kindheit in den 70ern nur eine Heißmangel und war bei Anlieferung und Abholung mit meiner Mutter immer ganz fasziniert von der Hitze, dem Dampf, Lärm und den Gerüchen und hatte damals schon den Eindruck, dass das harte körperliche Arbeit für die Frauen war. Um wie viel anstrengender muss das bei einer Kaltmangel gewesen sein – ohne Motorantrieb.

    Weiß man etwas über die Menschen, die diesen Beruf ausübten? War das überhaupt ein Beruf mit Standesorganisation? Oder eher ein Nebenerwerb? Wurde der von Frauen ausgeübt? Männern?

    Lieben Gruß

    Brendan

    • Vielen Dank für die Kindheitserinnerung! Zu dem Beruf weiß ich leider auch nicht mehr, das wäre aber auf jeden Fall eine weitere Recherche wert.

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