Maskenball

N53026345_JPEG_1_1DM Guérard, Bal de l’Opéra. Source: gallica.bnf.fr

Kostümbälle waren im Frankreich des 18. Jahrhunderts die große Mode. Der Bal de l’Opera, der Opernball in Paris gehörte zu den berühmtesten. Er wurde 1715 vom Regenten (Liselottes Sohn) als öffentlicher Ball für zahlende Gäste eingeführt und fand die folgenden 200 Jahre immer zur Karnevalszeit statt, bis am Ende der Boden in der Oper durchgetanzt war.

Nastjusha näht sich gerade ein Kleid für einen Kostümball im Theater.

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Da nutze ich die Gelegenheit und gehe ein paar Fragen zum Thema nach, die mich schon länger interessieren. Solche Kostümfeste und Maskeraden haben in Europa eine bis ins Mittelalter zurückgehende Tradition. Wie war das im 18. Jahrhundert und wie stellen wir uns heute ein Rokokokostüm vor? Malen wir uns dafür rote runde Wangen und schwarze Punkte ins Gesicht, setzen eine Maske auf?

1. Maske

Männer und Frauen trugen zur Kostümierung Masken und ließen sich auch gern damit portraitieren. Der Einfluss des venezianischen Karnevals und der italienischen Commedia dell’arte ist deutlich.

Lisiewski Bildnis Henriette von Lüderitz
Bildnis Henriette von Lüderitz mit Karnevalsmaske, Lisiewski,WikiCommons

Die Masken war aus Pappe, Leder oder auch Holz. Es gab ganze Masken oder halbe Visiere, mit oder ohne Nase.

Madame Royer.jpgMadame Royer, ca. 1750, Nattier, WikiCommons

Mme Rieux, unten, hält eine „Loup“ genannte  Augenmaske in der Hand. (Man beachte: Mantel und Haube sind bei Mme Rieux und Mme Royer fast identisch).

Madame de Rieux in Ballkleidung, 1742, de La Tour, via WikiCommons
Lampi Stanislaus Augustus with a maskStanislaus Augustus, 1788, Lampi, WikiCommons

Eine Maske konnte aber nicht nur Teil eines Kostüms sein. Es gibt Berichte aus dem 16. und 17. Jahrhundert, dass Frauen sich unterwegs mit Masken vor der Sonne oder fremden Blicken schützten.

Wenceslas Hollar - Winter (State 2) 2Frau in Winterkleidung, ca. 1647, Wenceslas Hollar, WikiCommons

Was ich mich schon immer gefragt habe: Wie blieben Masken eigentlich vor dem Gesicht, wenn sie weder Band noch Stab hatten? (Siehe oben Bildnis Madame Royer).  Musste man sie die ganze Zeit krampfhaft vor das Gesicht halten?.

Es hat gedauert, bis ich eine Antwort gefunden habe, die Forschung scheint auch noch überrascht. Einige wenige Funde hier und hier zeigen, dass an der Mundöffnung eine Perle befestigt war, die man zwischen die Zähne nahm und so das Visier festhielt. Reden war dann natürlich nicht wirklich möglich, was aber ja bei einem Inkognito-Auftritt auch nicht unbedingt schadet.

2. Kleid

Auf den ersten Blick würden man nicht denken, dass Elisabeth von Russland auf diesem Portrait für einen Maskenball gekleidet ist.

Elizabeth of Russia in masquerade dress by Grooth (1748, Tretyakov gallery).jpgElisabeth von Russland im Domino-Kostüm mit Maske, 1748, Grooth, wikiCommons

Sie trägt ein „Domino“ genanntes Kostüm. Der Domino war ein langer weiter Mantel mit Kapuze, bekannt aus dem venezianischen Karneval. Ursprünglich zitierte der Domino die Tracht italienischer Kirchenleute und wurde gern von Frauen benutzt, die ihre Identität verbergen wollten.

Wer heute auf einen Maskenball geht, stellt sich wohl eher eine Art Marie-Antoinette oder einen Amadeus als Kostüm vor.

baroScreenshot

Das ist dann der Schrecken aller Reenactment-Puristen.  Hoch aufgetürmte schillernd weiße Nylonperücke, glänzendes Polyesterkleid in Pink mit Reißverschluss, Reifrock, überladen mit Schleifen, Rüschen, Tortenspitzen.

Wer so nicht auftreten möchte liest am besten bei Marquise.de nach, was gar nicht geht und schaut sich ihr Gruselkabinett an. Gerade die bekannte Turmfrisur und der überbreite Reifrock waren eine Spezialität des französischen Hof und hielten sich nur wenige Jahre, sind also keinesfalls beispielhaft für die Zeit des Spätbarock bzw. Rokoko.

Es spricht natürlich nichts dagegen, solche Formelemente als Kostümierungen aufzugreifen und weiterzuentwickeln (sei es in Nylon oder Polyester), wie es damals durch die Jahrhunderte ja auch gemacht wurde.

3. Schminke

Sicher ist, dass es Frauen und Männer gab, die sich schminkten. Aber wer genau, wie verbreitet, wie stark, wann – dazu habe ich inzwischen so viele verschiedene Geschichten gelesen, auch von akademischer Seite, dass ich mich da lieber raushalte. Es gab auf jeden Fall Rouge und Lippenstift sowie weiße Puder und Pasten. Die Cremes waren zum Teil bleihaltig und schädlich. Augenmakeup spielte keine Rolle, dafür wurden lieber die Augenbrauen betont nachgezogen. Angeblich gab es sogar künstliche Brauen aus Mäusefell. Nur eine Legende?  Ich weiß es nicht.  Bisher weiß ich bloß aus Liselottes Briefen, dass sie kein Fan von „Rodt“ und „Geschmer“ war, ihr Mann sich aber schminkte.  Sie schrieb auch von blau nachgemalten Adern, aber wer weiß, ob das nicht ein bisschen übetriebene Sensationsberichterstattung ihrerseits war.

4. Schönheitspflaster

Unklar ist mir auch, wie weit verbreitet die kleinen schwarzen Punkte, die künstlichen Schönheitsflecken waren, die wir alle mit dem Rokoko-Look verbinden. Solche Flecken hießen „Mouchen“ (frz=Fliegen). Auf der Maske der Elisabeth von Russland sind Mouchen in gemalter Form zu sehen, ein Punkt und ein Halbmond:

elisausschnittElisabeth s.o., Ausschnitt

Diese schwarzen Schönheitspfästerchen waren aus Stoff, Leder oder Papier und sollten ins Gesicht und in den Ausschnitt geklebt werden. Ebenso wie die weiße Schminke konnten sie auch dazu dienen, Pockennarben und andere Hautprobleme zu verdecken.

Schaut man sich aber Portraits aus dem 18. Jahrhundert an, findet man so gut wie kein Gesicht, das Mouchen zeigt. Und wenn, dann handelt es sich bei der Abgebildeten eher um eine Kurtisane, wie  bei dieser Schönheit, Grace Elliot.  (Deren Karriere übrigens damit begonnen haben soll, dass sie auf einem Maskenball einen Marquis kennenlernte). Auch in frivolen Toilettenszenen sieht man Gesichter mit schwarzen Punkten, außerdem deutlich Rouge, weiße Grundierung und nachgezogene Augenbrauen:

moucheLa Toilette (Ausschnitt), 1742,  Boucher, Wiki

Weil es nicht leicht ist, passende Gemälde für unsere heutigen Vorstellung vom Rokokogesicht  zu finden, wird dann wohl manchmal per Photoshop der Geschichtsschreibung nachgeholfen. Bei diesem Bild (offenbar aus einem Buch) sind die Schönheitsflecken wohl nachträglich aufgemalt worden. Die schöne Dame in Blau von Gainsborough trägt in Wirklichkeit gar keine Mouchen (sieht aber geschminkt aus).

um 1780. Wiki

Von Schminke und Mouchen aus Sicht des Bürgertums erzählt Johanna Schopenhauer (1766-1838), die Mutter Arthur Schopenhauers, in ihren Jugenderinnerungen. Pariser Moden wurden in ihrer Heimat Danzig begierig aufgenommen, nur „Roth auflegen“ war nicht so gern gesehen. Schminken galt als „sündlich“, geschah allenfalls heimlich und wurde von der Kanzel aus gerügt.  Von Mouchen, auf deutsch damals auch „Muschen“ oder „englisches Pflaster genannt“, weiß sie noch:

Dagegen hatte eine andere Mode bei unsern eleganten Damen allgemeinen Eingang gefunden, die so abgeschmackt war, daß ich die Möglichkeit ihrer Existenz bezweifeln würde, hätte das länglich platte, im Deckel mit einem kleinen Spiegel versehene Döschen von Perlmutter mir nicht oft zum Spielzeug gedient, das alle Damen immer, und auch meine Mutter, zur Hand hatten, um daraus, im Fall eine Musche unberufen ihren Platz verließe, die dadurch entstehende Lücke gleich wieder ausfüllen zu können. Diese aus schwarzem, sogenanntem englischen Pflaster geschlagenen, winzig kleinen volle und halbe Monde, Sternchen und Herzchen, sollten mit Auswahl und Geschmack im Gesicht angebracht, die Reize desselben erhöhen, den Ausdruck des Mienenspiels beleben. Eine Reihe kleinster, bis zu etwas größeren steigender Monde, im äußern Augenwinkel, diente dazu, die Augen größer erscheinen zu lassen, und ihren Glanz zu erhöhen; ein paar Sternchen im Mundwinkel sollten dem Lächeln etwas bezaubernd Schalkhaftes geben, eine am rechten Orte auf der Wange angebrachte Musche auf ein Grübchen in derselben deuten. Es gab auch Muschen in etwas größerem Format, Sonnen, Täubchen, Liebesgötterchen sogar. Diese hießen vorzugsweise Assassins, vermuthlich wegen ihrer mörderischen Wirkung auf die Herzen.

aus Jugendleben und Wanderbilder, Kapitel 24.

Irgendwie erinnert mich diese Schilderung an die „Nail Art“ unserer Tage. Ein lustiger modischer Zeitvertreib, in ein paar Jahren wieder passé.

nailartScreenshot

So, jetzt mache ich den Vorhang zu, obwohl noch haufenweise Fragen offen sind. Viel Spaß allen beim Verkleiden und Schminken, egal wie.

7 Kommentare

  1. Wow, wieder ein toller historischer Beitrag. Interessant welche falschen Bilder man so im Kopf hat und was von einer Epoche im Weltgedächtnis übrig bleibt.
    Und auf die Befestigung der Masken wäre ich nie im Leben gekommen! Dabei ist es ja eigentlich recht naheliegend. Sehr spannend.
    Toll recherchiert, vielen Dank!
    PS: Ob Mme Rieux und Mme Royer es wohl damals schon gehasst haben, in dem fast identischen Outfit porträtiert zu werden?

    • Haha, stell dir mal vor, im Weltgedächtnis bleibt von den 2010ern nur NailArt…
      Wenn die beiden Madames denselben Maler gehabt hätten, könnte es auch sein, dass der Maler die Kleidung gestellt hat, gab es auch. Oder die eine hat die Sachen an die andere weitergegeben? Oder bei der Modistin eine Kopie machen lassen? Na, es reicht erstmal.

  2. Künstliche Brauen aus Mäusefell??? Was für eine Vorstellung! Ach vielen Dank für diesen ausführlichen Post zu dem Thema, was mich gerade so beschäftigt! Gerade was die Maskenbefestigung angeht, habe ich lange überlegt. Gummi geht ja gar nicht, dann dachte ich, eine Stabmaske wäre nicht schlecht, aber als meine Freundin meinte, die Demaskierung würde wohl erst um Mitternacht stattfinden, gruselte mir bei der Vorstellung das Ding die ganze Zeit zu halten (interessanterweise haben die meisten im Internet verkauften Stabmasken den Stab rechts, blöd eigentlich, wenn man wie die meisten Rechtshänder ist). Jetzt doch Satinband, aber ich habe keine Ahnung, ob das Ding hält. Über die Schminke war ich mir auch nicht im Klaren, aber es stimmt, diese betonten Augenbrauen sind ein Charakteristikum. Und wie interessant die Ausführungen zum Mouchen! Muss gleich mal einen Link an alle schicken, von denen ich weiß, dass sie auch hingehen. Und von den anderen Kostümen werde ich berichten. Von einigen weiß ich schon, dass sie ein Abendkleid mit Maske tragen werden, aber sicher wird es auch richtige Kostüme geben. Bin sehr gespannt!
    Vielen Dank für diese tolle Recherche wieder einmal, ich bin begeistert.
    Liebe Grüße!

    • Wenn ich mich recht erinnere, war an einer Stelle auch davon die Rede, die Masken seien mit Pomade o.a. quasi angeklebt worden.
      Ich kann mir das gar nicht vorstellen, bis Mitternacht durchzuhalten, das ist doch zu nervig, oder? Berichte dann mal, ja.

  3. Spannend zu lesen- und wie immer bei solchen Bildern bin ich froh, im hier und heute zu leben.
    Sicher haben die Damen sich für die Portrais extrafein darstellen lassen- aber dennoch ist diese Extravaganz heutzutage undenkbar. Auch nicht in Kreisen, die sich das zeitlich und finanziell leisten könnten. Die englische Throfolgerin ist da ein nettes Beispiel, sie präsentiert sich in der Öffentlichkeit nicht sonderlich abgehoben.
    (OK, sicher bemühen sich viele , aber das darf dann nicht zu künstlich und extravagant aussehen- es sei denn man ist Lady Gaga )
    (Wobei- ja. Diese Fingernägel. )

    Die Gainsborough-Dame ist sicher natürlich „geschminkt“ aber guck dir diese Frisur an. Bei diesem kunstvollen Turm auf dem Kopf bleibt kein Raum mehr für dekoraive Visagistenkunst.
    Gibt es da nicht irgendein Portrait wo sich eine Dame mit mörderischer Fregatte im Haarnest malen ließ? Und man sich politische Tagesereignisse en miniature in die Frisur integrierte?
    Mon dieu.

    • Das mit den Haaren und der Fregatte stimmt wohl, aber das wahrscheinlich auch so eine Lady Gaga von damals. Zu der Sache mit den Frisuren will ich auch noch einmal etwas machen. Jedenfalls beteffen solche Extravaganzen immer nur die Oberschicht, und durch die Karikaturen haben sich dann wohl viele Legenden gebildet.
      Ehrlich gesagt, für kurze Zeit würde ich mich schon ganz gern mal da hinbeamen lassen… also, an den Hof oder zu Johanna Schopenhauer. Durch Quellenlesen taucht man ja auch in bisschen in die Zeit ein.

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