Knoten machen

Nun habt ihr die rätselhafte Handarbeit ja schon enttarnt: Die Frauen machen Knoten in Schnüre. Ich hatte auch noch nie etwas davon gehört. Im V&A waren mir Troddeln an einer Halskrause aufgefallen (so wie in dem Buch auf dem Foto oben), die aus geknotetem Band bestanden. Es sah sehr besonders aus. Inzwischen habe ich versucht, solche Troddeln nachzumachen. Weil ich natürlich nicht so ein großes Schiffchen besitze wie die Frauen auf den Bildern, habe ich eine Wäscheklammer mit Band umwickelt und probeweise Knotenschnüre hergestellt.

Meine Troddel sieht den historischen Vorbildern nicht besonders ähnlich, leider. Die Knoten hätten viel enger zusammen sitzen müssen und ich hätte wohl auch noch viel mehr Fransen hineinnehmen müssen.  Die Troddeln im V&A sahen eher wie kleine Perlschnüre aus.

Aber nun zum Hintergrund: In England und Frankreich ist das „Knotting“ oder das „Faire des Noeuds“ besonders im 18. Jahrhundert eine beliebte Tätigkeit.  (Hier ein Foto solcher Knotenbänder). Die Frauen besaßen große Schiffchen und knoteten Seiden- oder Leinenband. Schiffchen, Garn und Knotenschnüre wurden in einem Beutel am Arm getragen. Am Ende konnten die Bänder dann als Auflegearbeit aufgestickt werden, oder es wurden Fransen daraus geknüpft.

Ich habe mich gefragt, ob das Knoten denn in Deutschland damals nicht verbreitet war? Der deutsche Wikipedia-Eintrag zu Occhi verweist nur wage auf das Frauenzimmer-Lexikon, in dem vom „Knötgen knüpffen“ die Rede ist. Ich habe dann über das Wörterbuchnetz noch Fundstellen aus historischen deutschen Texten gefunden, zum Beispiel:

„das stricken und das knötgen machen sind wol noch gar bequeme sachen, weil man dabei was reden kan.“

Aus Lessings Lustspiel „Der Schlaftrunk“:

„Charlotte sitzt am Fenster auf einem Taburet und macht Knötchen.“

Aus Goethes Italinischer Reise:

„Sie saß auf dem Sofa, Knötchen knüpfend, vor sich ein Nähtischchen“

Knoten machen war also auch in Deutschland bekannt, jedenfalls in den Kreisen, in denen Lessing und Goethe verkehrten.  Zusätzlich beschreibt Nadeln in ihrem Kommentar zum vorangegangenen Beitrag:

„Es gab verschiedene Knoten. Die Schnüre nähte man den Mustern gemäß auf den Stoff. In Österreich gibt es ein Deckchen mit dem der Kelch abgedeckt wurde. Auf dem Deckchen wurden farbige Knotenschnüre aufgenäht.“

Hier könnte man nun noch weiterrecherchieren, aber ich glaube, für heute reicht es erst einmal.

Viel mehr Einzelheiten auf Englisch zu dem Thema beim Ring of Tatters, 18th Century Notebook und Tatman, der über seine Leute bei der Marine zum Tatting gekommen ist. Er versucht mit vielen Nachweisen die Annahme zu widerlegen, dass Knotting der Ursprung von Tatting sei.

Praktische Anweisungen zum Knotting und weitere Links findet ihr dann noch bei Quaintrelle, die auch ein paar Troddeln hergestellt hat.

Annekata hat mir freundlicherweise noch diesen Bilderlink  bei Pinterest geschickt.

Das sind jetzt alles sehr viele Links. Für mich war es eine spannende Spurensuche, von dem schönen Fundstück im V&A ausgehend mithilfe des Internets die Frage zu klären: Was ist Knotting?

Danke fürs Miträtseln!

Und für Hinweise auf weitere Spuren bin ich natürlich sehr dankbar.

Nachtrag:

Nur noch einmal zur Sicherheit der Hinweis, dass es sich beim Knotenmachen nicht um Occhi (engl. Tatting) bzw. Frivolitätenarbeit bzw. Schiffchenarbeit handelt. Occhi kam erst später im 19. Jahrhundert auf, das Schiffchen dafür ist viel kleiner. Occhi/Frivolitätenspitze wird in vielen alten Handarbeitsbüchern noch erklärt.  Hier und hier  hatte ich Occhi schon einmal probiert (und wusste noch nichts vom Knotenmachen des 18. Jahrhunderts).

14 Kommentare

  1. Ich finde solche alten Techniken immer höchst spannend und es setzt sofort der Drang ein, es auszuprobieren :-)
    Habe übrigens noch den Begriff Flyfringe gefunden …

  2. In der aktuellen Fashionausstellung im Deutschen Historischen Museum Berlin ist auch ein Kleid (Nr. 98) mit geknoteten Seidenfransen. Da musste ich mehrmals hinschauen, so ungewöhnlich, so bewundernswert.

  3. Gerade aus dem Kommunikationsmuseum (eigentlich habe ich mich seit den Ausstellungsempfehlungen hier neulich geradezu auf schlechtes Wetter gefreut) zurück und was sah ich in der DYS-Ausstellung: Ja Knötchentechnik! Nur als kleiner Hinweis auf frühere Handarbeitstechniken, Unterricht für Mädchen etc. Viel war dann auch die Rede, vom Unbeschadetsein beim Handarbeiten, wenig Kopftechnik, mehr in die Finger und so nahmen die Mädchen und Frauen wenig Platz weg in den engen Stuben…..Na ja.. Bei meinem ansonsten netten Begleiter fing langsam die Kopftechnik an zu mahlen und er rechnete sich zusätzlich zu den Privilegien des Vatertages (sonst wären wir in die Fashioning… im Zeughaus gegangen) wohl noch Weiteres aus…Diese Flausen sind bei einer großen Eisportion abgekühlt.
    lg Carmen

  4. Es ist immer wieder beeindruckend, wie viel Zeit früher in Handarbeit investiert wurde, es muss doch unendlich mühselig gewesen sein, einen Meter Knotenschnüre zu knüpfen! Aber toll sieht es aus!
    Ob die Herren der Schöpfung das eigentlich zu würdigen wussten?
    LG
    Valomea

  5. Sehr interessant. Ich habe jetzt auch etwas geknotet und muss sagen, das ist wirklich eine Handarbeit, die sich vortrefflich zur Zurschaustellen des Müßiggangs eignet. Erstmal braucht man dafür keinerlei Expertise und Kreativität, nur etwas Sorgfalt, damit die Knoten eng zusammen kommen. Das entstehende Produkt hat keinerlei echten praktischen Nutzen. Wie man bei einem der Links lesen konnte, waren die Garnschiffchen so eine Art Modeaccessoire – mich wundert nicht mehr, dass die Technik im 19. Jahrhundert ausgestorben ist. Diese Handarbeit passt wie keine andere in ihre Zeit. Vielen Dank fürs Ausgraben!

    Lucy

  6. Vielen Dank für die ausführliche Recherche.Sehr spannend. Ich werde jetzt mit ganz anderen Augen Kleidung und andere textile Stücke auf Gemälden oder in Museen begutachten.Die Enge der Knoten geht natürlich viel leichter mit der Schiffchenform, als mit der Klammer. Es juckt mich in den Fingern so etwas beim Trödeln aufzutreiben.
    Verknotete Grüße von karen

  7. Hallo Suschna,
    Schade, dass diese interessante Ausstellung so weit weg ist.
    Diese Knotenschnüre wurden früher auch als Posamenten aufgenäht/aufgestickt.
    Liebe Grüße
    Petra

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