Redensarten – Adventskalender – Woche 1

Täglich bis zum 24. Dezember Auszüge und Bonusmaterial rund um das Buch „Verflixt und Zugenäht – Textile Redewendungen, gesammelt und erklärt„.

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Spinnrocken, Kunkel: Der Stab mit dem Bündel Rohfasern, aus dem der Faden gesponnen wird. Spinnen war meist Gemeinschaftsarbeit und wurde traditionell den Frauen zugeschrieben. Ein Spinnrocken in der Hand galt als weibliches Attribut.

distaffvia

Von der Kunkel kommt das Kungeln

Wurde Wolle, Hanf oder Flachs um den Stab gedreht, der das abzuspinnende Material halten sollte, so hieß dieses Herumdrehen und -wickeln regional auch kunkeln. Kungeln bezieht sich also zum einen auf etwas Zusammengedrehtes. Zum anderen wurden auch die Gemeinschaften in den Spinnstuben danach benannt, sie hießen Kunkelgesellschaften. In einem Gedicht von 1821 klingt das vertrauliche Zusammensitzen beim Spinnen an: »Leis im Frauenkreise flüstert bei der Kunkel guter Rath.« Das Kungeln ist also auch das Ergebnis vom heimlichen Zusammentreffen in den Spinnstuben. (Auszug S. 20)

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tag6

santavia LNSW

Schönen Nikolaus-Sonntag wünsche ich! Und ich habe sogar einen Bezug zum Thema:

Der Nikolausmantel ist mit Pelz verbrämt. Verbrämung nennt man die Verzierung der Kanten eines Kleidungsstücks. Eine Jacke kann mit Fell verbrämt sein, ein Rocksaum mit einer Borte. Das Wort kommt vom frühniederdeutschen Brame für Rand oder auch Waldrand. Heute wird im übertragenen Sinne eine schlechte Nachricht verbrämt, indem man sie harmlos verpackt übermittelt. Sie wird derart verziert umschrieben, dass sich das Übel nicht direkt zeigt.

(Mein Buchlager ist übrigens schon arg dezimiert, ähnelt dem Vorrat auf dem Foto oben. Ich hoffe, die Menge reicht noch für alle Weihnachtswünsche. Danke für die Unterstützung!)

 

tag5

„Der Scherz ist wie das Garn, das zerreißt, wenn es zu fein gesponnen wird.“
―Napoléon Bonaparte
Napoleon - 2

 

tag4

hechelnvia

Zwei junge Männer beim Flachshecheln. Das Bild macht vielleicht deutlich, warum Flachsen bis heute in unserer Sprache im Sinne von spaßig Herumreden erhalten ist. Flachsgewinnung war Gemeinschaftsarbeit und ein langweiliger, gleichförmiger Prozess – bestens geeignet für Unterhaltungen. Seltsamerweise gehen die bisherigen Redewendungsbüchern immer davon aus, dass nur Frauen geflachst und gehechelt haben und schreiben die Redensarten schwatzhaften Frauen zu. Eine von vielen Klischeevorstellungen, die wir der Altherren-Geschichtsschreibung verdanken.

Andere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass flachsen eher aus dem Rotwelsch kommt, schon in dieser Spezialsprache des fahrenden Volkes hatte das Wort die Bedeutung „schmeicheln, necken, narren“.

flaxvia

tag3

Vor Beginn des Industriezeitalters spielte der Flachsanbau in Deutschland eine sehr große Rolle. Bis heute hat die Flachsverarbeitung Spuren in der deutschen Sprache hinterlassen.  So sind zum Beispiel tadelnde Reden in Form von Rüffeln und Durchhecheln auf Arbeitsschritte bei der Fasergewinnung zurückzuführen. Mit den Werkzeugen Riffel und Hechel wurden die Flachsfasern gesäubert und gekämmt.

hackleHechel

Die spitzen Zinken der Hechel standen als Bild für scharfe Zungen, die sich über ein Thema austauschen. Schon im Simplicissimus aus dem 17.  Jahrhundert hört der Erzähler bei einer Hochzeit betagten Mütterlein zu, wie sie »allerlei Leut, Ledige und Verheiratete … durch die Hechel zogen« und über die Kleidung der Gäste tratschten.(Auszug S. 31)

riffelRiffel (trennt die Leinsamen ab)

Wie bei der Hechel, die zum tratschenden Durchhecheln führte, wurde aus der Riffel der Rüffel, mit dem jemand gerügt wird.

tag2

„Schneider sind die klügsten Menschen, weil sie immer wieder von den Menschen Maß nehmen, statt sich auf die alten Angaben zu verlassen.“
―George Bernard Shaw

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Schneidersitz

schneidersitzvia NLI

Warum sitzen Schneider mit gekreuzten Beinen?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Wer im Schneidersitz arbeitet, braucht weniger Platz und kein zusätzliches Mobiliar. Der Stoff kann im Schoß zusammengefasst oder über die Knie ausgebreitet werden, so dass das Gewicht des Tuches nicht beim Nähen stört und die Gefahr geringer ist, mit Schmutz und Staub in Berührung zu kommen. Gerundete Partien wie Kragen oder Armausschnitte können über ein Knie geformt leichter bearbeitet werden.
Auf manchen Abbildungen sieht man Männer im Schneidersitz auch auf einer Tischplatte direkt am Fenster arbeiten. So waren sie besonders nah am Tageslicht und konnten die Nähte besser sehen. Frauen sitzen auf Abbildungen eher auf Stühlen. Der Schneidersitz war wohl weniger schicklich für sie. (Auszug S. 81)

Fallen euch noch andere Gründe ein? Auf dem Bild oben liegt das Tuch auf dem Boden und wird sicher schmutzig. Rechts am Ofen bügelt einer der Näher, auch auf den Dielen (und nah an der Kohle).

13 Kommentare

  1. Liebe Schuschna, ich kann es nicht beweisen, aber mir fällt dazu eine Geschichte ein. Es war einmal ein Schneider aus einem kleinen Städtchen in der chinesischen Provinz. Er war gewohnt draußen auf der Straße vor seinem Schneiderbüdchen zu arbeiten, in der Schneidergasse, im Schneidersitz auf dem Bürgersteig, wie die anderen auch. Nun war dieser Mann sehr abenteuerlustig und ist noch mit den ersten Missionaren nach Europa gewandert und hat dort seine Geschäfte weiterbetrieben. In, sagen wir mal, Genua. Alle anderen Schneider saßen tief gebeugt auf ihren Stühlen und harten Bänken neben den kümmerlichen Fenstern und verdarben sich Rücken und Augen. Aber unser Schneider aus Fernost, nennen wir ihn Meister Hu, war bis ins hohe Alter agil und schmerzfrei. Das haben sich dann die anderen abgeguckt und lebten glücklich und zufrieden. Soweit die Mythen.
    Aber in Wirklichkeit denke ich auch dass es recht pragmatische Gründe hatte. War wohl die beste Methode, beim Handnähen mit viel Stoff zu hantieren. Auf der großen Arbeitsfläche des Bodens konnte so nichts verrutschen und wenn du mit der Nadel durch den Stoff stichst, ist ein Tisch auch eher ungünstig. Also am besten mit dem Stoff auf dem Schoß und da eben auf dem Boden, vielleicht in Ermangelung eines Sofas. Und die Beine untergeschlagen, weil das eine bequeme Haltung ist. Dass Frauen nicht im Schneidersitz saßen, leuchtet mir auch ein, denn wenn sie wallende Röcke tragen laufen sie doch gefahr, ihren Rock an das Genähte dranzuheften, oder?

    • Vielen Dank für die Legende! Und ja, für Frauen ohne straffe Hosenbeine ist es nicht so einfach. Andererseits habe ich auch ein Foto gefunden, wo eine Frau mit Schürze zwischen Männern auf dem Boden sitzt, war also nicht ausgeschlossen.
      Was noch interessant ist: Nur im Deutschen und Niederländischen gibt es den feststehenden Ausdruck Schneidersitz, in Frankreich z.B. heißt es einfach „mit gekreutzen Beinen sitzen“. Dann gibt es noch seating „indian style“ (womit wir uns räumich an Meister Hu annähern).

  2. Ich kenn’s auch so, dass die Schneider im Schneidersitz auf großen Tischen sitzen wie z.B. auf dem verlinkten Bild. Das war weit bis in die Siebziger besonders für komplett handgenähte Sachen Usus. Ein aktuellers Bild habe ich aber leider auf die Schnelle jetzt nicht gefunden.

    • Das ist ja cool, man kann Bilder in KOmmentaren posten! Vielen Dank, schönes Bild! Vielleicht ist es auf den Tischen auch wärmer als auf dem Boden? Und man kann auch stehen, um das Werkzeug zu benutzen.

  3. Ich freue mich jeden Tag! und wie wichtig dieses Richtigstellungen sind!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Vieles wurde geschlechterspezifisch einseitig beleuchtet und oft eben auch falsch.
    Flachsen ist ein sehr schönes Wort, welches in der jungen Generation kaum noch benutzt wird.
    Das alte Problem, wer wenig liest, verkleinert seinen Wortschatz enorm.liebe grüße Karen

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