„Fairer than my daughter“ – Eine Mutter-Tochter Challenge

„Verbale Aufgeschlossenheit bei gleichzeitiger Verhaltensstarre“ – so hieß es gestern bei der Talkrunde „Hart aber Fair – Wie billig darf Kleidung sein“ über die Käufer von Kleidung ohne faires Label.
Währenddessen leerten Mutter und Teenagertochter ihre Einkaufstaschen. Sie hatten ihre Herbsteinkäufe bei den großen Bekleidungsketten gerade erfolgreich erledigt, wenn auch mit schlechtem Gewissen.
Vorangegangen waren:
– das Durchforsten der eingelagerten Wintersachen inklusive der von Verwandten und Freunden weitergereichten Kleidungstüten. Ergebnis: Wintermantel für die inzwischen gewachsene Tochter fehlt, Strumpfhosen fehlen ebenfalls.
– Internetsuche nach fair hergestellter Jugendmode, speziell einem Wintermantel in Größe 156. Am liebsten soll er so aussehen wie ein bestimmter Parka der Marke Zara. Ergebnis: Nach einstündiger Recherche geben Mutter und Tochter auf. Zu viele Labels, kaum Mäntel, zu wenig für Jugendgrößen, zu uncool, schwierige Rückgabebedingungen. Generell sind aber zum Beispiel bei Greenality und bei Zündstoff ganz schöne Sachen dabei, mehr Links auch bei Zeit-Online.
– Internetsuche nach Gebrauchtkleidung beim Kleiderkreisel und bei Mamikreisel. Der inzwischen hoch favorisierte Look des Parkas von Zara ist passend nicht zu finden. Parkas sind zu groß, zu klein, zu uncool, zu abgenutzt oder gar nicht mal so günstig.
– Terminabstimmung für einen Wintermanteleinkaufstrip nach der Schule. Mutter hat null Lust, sich ins Shoppinggewühl zu mischen. Es muss schnell gehen. Also direktes Ansteuern der Flagshipstores großer Bekleidungsketten, in Berlin am Tauentzien möglich. Rein zu Zara. Sie sehen den Parka, aber leider, es ist ein Jungsparka. Mutter schlägt vor, das Etikett „Zara Boys“ rauszutrennen. Tochter lächelt gequält. Oh, da ist derselbe Parka ja auch für Mädchen. Mutter findet diese Aufteilung lächerlich. Tochter zieht Mädchenparka an, er ist in der Schulterpartie viel schmaler geschnitten, unten weiter, und sieht bedeutend besser aus als der Jungsparka. Mutter kauft Mädchenparka für fünzig Euro. Für den Preis hätte sie als Selbernäherin noch nicht einmal die Materialien (Schnitt, beschichtete Stoffe, Futter, Wattierung, Kordeln, Borten, Reißverschlüsse, Druckknöpfe) kaufen können. Mutter und Tochter fühlen sich nicht so gut, aber haben eine Wintermantelsorge weniger.
– bei Uniqlo gibt es dann für Mutter und Tochter Strumpfhosen und Leggings, preislich um 10 Euro. Der Laden, eine japanische Mischung aus P&C und H&M, hat wirklich gute Basics. Vor allem übrigens für Männer.
– auf dem Weg zum Bus schaut Mutter noch kurz bei COS rein, ihrem Lieblingsladen. Eigentlich hat sie genug Kleidung, sie will nur mal gucken. Sie fühlt sich in einem 70-Euro-Kleid aus ziemlich besonderem Strickstoff sehr wohl und kauft es.
Und jetzt?
Jetzt prüfen wir hier mal, wie schlimm sie sind. Wer ist schlimmer, wer fairer, Mutter oder Tochter? COS oder Zara? Beide Kleidungsstücke sind Made in China, mehr weiß ich auch noch nicht. Und was ist mit Uniqlo, dem Newcomer aus Japan? An der Kasse laufen über Monitore Animationen, die von Hilfsprojekten in den Herstellungsländern berichten.
Wir werden sehen! Stay tuned, schaut mal wieder vorbei.
In der Zwischenzeit könnt ihr ja zum Beispiel hier über Greenpeace Herrn Entwicklungsminister Müller schreiben. Der hat nämlich gestern in der Sendung um Emails gebeten, damit er die Textilwirtschaft für seinen runden Tisch noch ein bisschen unter Druck setzen kann.
Und noch zwei Links: Der Jeans-Check auch von gestern abend, und die Berliner Zeitung zur Talkrunde: „Ab sofort nackt!“
Sehr interessant und danke für die Offenlegung eures familieninternen Dilemmas. Ich kann es sehr gut nachvollziehen, bin aber zum Glück mit den Jungs noch nicht so weit, dass ich mich auf Diskussionen einlassen muss. Zumindest der Kleine trägt eh immer second hand. Haha.
Ich denke, es lohnt sich zu recherchieren und auf jeden Fall immer zu hinterfragen und sich zu bemühen. Damit man sich nicht blind und verantwortungslos durch´s Leben treiben lässt. Wo kämen wir hin, wenn es sich alle immer nur leicht machen würden… Auch wenn manchmal der Eindruck entsteht, der eigene Beitrag ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Es ist der einzige Weg etwas zu ändern. Ich finde super, dass du das deiner Tochter bewusst machst. Danke auch für die Links, das schaue ich mir an.
Liebe Grüße,
Nastjusha
Verbale Aufgeschlossenheit bei gleichzeitiger Verhaltensstarre bringt es m. E. leider auf den Punkt. Selbst wenn ich bei den Kindern immer darauf achte, vorrangig „Bio“Klamotten zu kaufen, frage ich mich doch, wo eigentlich diese unglaubliche Masse an BioCotton plötzlich wächst. Alle Branchenriesen bieten diese doch an, sei es C&A, H&M oder Tchibo. Nein, eigentlich frage ich mich das nicht wirklich, sondern gehe davon aus, dass wir Konsumenten einfach verarscht werden.
Ich bin gespannt, wie es bei euch weitergeht.
LG,
Kathrin
Ach so, vielen Dank für die vielen Links!!!
Danke auch für die Rückmeldungen. Und wenn ihr noch gute Adressen oder Tipps habt, immer her damit.
Ja, und jetzt? Ich frage mich, was wir überhaupt noch mit gutem Gefühl kaufen können?! Und ist der Stoff, den man zum selber Nähen kauft auch so „belastet“? Wahrscheinlich auf ähnliche Weise… Bin gespannt was du noch so ausgräbst.
Ach, das Dilemma kenne ich. Second-Hand für Kinder ist ja super, wenn es nicht gerade dringend etwas sein muss (z.B. einfach nur die richtige Größe), das eben nicht im S-H-Laden zu haben ist. Für Erwachsene finde ich Second-Hand schon wieder schwieriger. Ich war neulich auf einer großen Klamotten-Verkauf-Veranstaltung in einer Flohmarkthalle und hatte das Gefühl, wenn ich den jungen Mädels ihre H&M-Zara-etc.-Dinger abkaufe, mag ich ja erstmal ein gutes Gewissen haben, fördere damit aber ihren offensichtlich kaufrauschartigen Shopping-Stil bei genau diesen Ketten.
Für mich habe ich jetzt einen Mittelweg akzeptiert. Ich kaufe möglichst oft Bio + Fair, aber wenn es nicht 100% richtig ist, hole ich lieber was vom konventionellen Hersteller, das ich dann im Gegenzug so lange schleppe, bis es auseinanderfällt. LG Mila
@Mila (wenn ich den jungen Mädels ihre H&M-Zara-etc.-Dinger abkaufe, mag ich ja erstmal ein gutes Gewissen haben, fördere damit aber ihren offensichtlich kaufrauschartigen Shopping-Stil bei genau diesen Ketten.) : – so ähnlich sehe ich das auch;
nur hatte ich dieses Gefühl recht schnell nach Anmeldung bei Kleiderkreisel, wo ich haufenweise Sachen von Primark sah. Ich dachte mir, tolle Idee, die dahinter steht, die aber dadurch absurd wird, wenn ich mir vorstelle, dass die Person, mit der ich getauscht oder von der ich gekauft habe, im Anschluss gleich wieder zu Primark rennt.
Da kann ich auch gleich beim Jeansladen um die Ecke kaufen und trage die Kleidung so lange, bis sie nicht mehr passt. Danach spende ich sie bei der nächsten Sammlung unserer Kirchengemeinde.
Wirst du an die Hersteller schreiben, um herauszufinden, wo und von wem die Sachen produziert wurden? Meine Strategie ist im Moment so ähnlich wie Milas: möglichst wenig kaufen und alles so lange wie möglich tragen. Für Kleiderkreisel fehlt mir die Geduld, ich habe einfach keine Lust, mich stundenlang durch schlechte Fotos und rudimentäre Beschreibungen zu klicken. Für viele Leute ist sicher die Jagd an sich schon spannend und befriedigend, mich nervt das, z. B. dass die wenigsten die Materialzusammensetzung angeben. Da ich meistens genauso wenig Lust habe, durch die Geschäfte zu tigern, fallen die Einkäufe eben aus, und ich verschiebe Kleidungswünsche alle auf „wenn ichs zufällig mal finde“. Zur Frage, was man im Fall des Falles kaufen sollte, bin ich so ratlos wie Kathrin und glaube auch nicht daran, dass diese ganzen Siegel wirklich etwas aussagen.
Seufz, es wird wohl nicht einfach mit unserer Challenge. Anschreiben, das plane ich eigentlich nicht, bzw erwarte da keine erhellendeneren Antworten als das, was andere (hoffentlich) vielleicht schon recherchiert haben.
Ich befürchte, es bleibt ein Mittelweg wie bei euch. Aber vielleicht bekomme ich doch eine bessere Richtschnur, mal sehen.
Der Sportklamotten- und Freizeithersteller trigema hat immer damit geworben komplett alles hier herzustellen. Ich fand die Konsequenz sehr beeindruckend und er war seiner Zeit voraus. Wie seinen Bilanzen z.Z. aussehen, weiß ich allerdings nicht. Aber so konsequent hat das keiner dieser Größe in Deutschland gemacht. Erst sehr langsam wächst das Bewustsein in der Bevölkerung. Man darf ja schon froh sein, wenn Hersteller in der Türkei und in Portugal bleiben und nicht weiter ziehen.
Man kann sicher nicht bei jedem Kauf recherchieren, aber bestimmte Preisverhältnisse sollten einen hochgradig stutzig machen!!!
Lohnendes Thema, bei dem ich Konsequenz oft schwierig durchzuhalten finde. Da ich mich seit Jahrzehnten damit beschäftige, kenne ich inzwischen viele Label, denen ich glaube, halbwegs vertrauen zu können (z.B. Jeans von kuyichi). Da ich nicht alles in Bio und Fair für eine fünfköpfige Familie kaufen kann, fahre auch ich die Mischkalkulation: Zuerst Second-Hand suchen; dann Fair und Bio; dann konventionelle Hersteller, die vornehmlich in D produzieren ; dann Produktion in Europa. Mit zunehmender Größe der Kinder wird das Second-Hand kaufen schwieriger, weil man nur noch wenig bekommt. Ganz schwierig ist es bei Sportsachen, Strümpfen (da werden bei uns Unmengen verschlissen…) und Schuhen. Da knicke ich dann doch oft ein. Schön finde ich wiederum, dass wir inzwischen vor Ort eine recht große Auswahl an unterschiedlichster Biokleidung haben, darunter durchaus auch Design für die Jugendlichen.
LG, Bele
[…] habe. Womit ich beim weiteren Thema bin: Wie steht es mit der Fast Fashion hier im Hause? Bei Gewissensfrage Klamottenkauf hatte ich ja im Herbst eine Mutter-Tochter Challenge ausgerufen und wollte für mich prüfen, wie […]