Buchumwandlung

Das Tabu Buchzerstörung hatte ich ja hier schon angesprochen. Ich konnte Zeit meines Lebens nicht in ein Buch hineinschreiben, keine Eselsohren knicken oder es aufgeschlagen mit dem Buchrücken nach oben liegen lassen. Dann saß ich vor zwei Jahren für eine Schulaufführung in der hinterletzten Ecke auf dem Boden einer stickigen, völlig überfüllten Aula neben einem Papierkorb. Weil sich das Ganze ziemlich hinzog, inspizierte ich den Inhalt des Mülleimers und fand einige ausrangierte Biologiebücher aus den 70er Jahren. Feinste Illustrationen, botanische Zeichnungen, Blumen, Bäume und so weiter. Ich nahm den ganzen Stapel  mit nach Hause und fühlte mich frei, Seiten herauszureißen. Die Bücher wären ja ohnehin zerstört worden. Erst kostete es Überwindung, aber nun mache ich das mit oft mit ungewollten Büchern, auch vom Verschenk-Tisch in der Bibliothek.

Zum einen nutze ich das Papier als Verpackungsmaterial.

(Kleiner Exkurs dazu: Mir ist ja eine schöne Verpackung schon ganz wichtig, aber die meisten Empfänger beachten sie kaum.

Bei diesem Ring zum Beispiel war ich enorm stolz über meinen Bohne-als-Halterung-Einfall, aber nach der Übergabe fand zwar der Ring, nicht aber die Präsentation freudige Beachtung. Ist eben Geschmackssache.)

Zurück zu den Büchern: Man kann Buchseiten ganz leicht falten und Skulpturen herstellen. Dieser „Fächerigel“  zum Beispiel ist gut geeignet für Notizzettel oder auch CDs, deren Hüllen gerade mal wieder verschwunden sind. Seiten immer schön zur Mitte falten, am besten über einer Tischkante. (Danke an Viola fürs Vormachen!)

  

Dazu passen auch diese Bilder von Buchskulpturen in einem Anthropologie-Schaufenster. In den Kommentaren zum Beitrag regen sich Buchliebhaber über die Behandlung der Bücher auf, so dass sich am Ende der Inhaber des Geschäfts meldet und erklärt, alles stamme von einem Recyclinghof, kein Buch sei angeschnitten worden, die Seiten seien nur gefaltet und am Ende würde alles einer Schule gespendet!

Aus den Einbänden kann man mit neuer Füllung wunderbare Skizzen- oder Notizbücher herstellen. Danyeela macht das immer wieder, hier sind schöne Beispiele.

Vorbildlich geht Carmen vor: Sie lässt aus Bucheinbänden und Blankopapier im Copyshop Ringbücher machen. Die herausgetrennten Buchblöcke liegen als großer Stapel neben ihrem Sofa – sie liest sie dann noch. Lobenswert!

Ab hier schreibt sie selbst noch genauer dazu:

„Meine Idee zu Weihnachten ist – bei einer großen Familie, die auch miteinander Heiligabend feiern will:  ‚Einer für Alle‘. 

Damit mache ich mir auch eine Freude, so kann ich alle Variationen einer Idee in die Tat umsetzen und habe ein VV (Vielfaches Vergnügen). Weihnachten 2009 war es folgende Idee:  Alte Schneider-Taschenbücher besorgen mit Titeln, in denen die Vornamen des zu Beschenkenden vorkommt. Alles klar?

Dann trennte ich die Hardcover-Vorder- und Rückseite voneinander, füllte innen mit Schreibblättern oder –  für die ambitionierten KünstlerInnen – mit Skizzenblättern. Weil aber der gedruckte Inhalt doch spannende oder rührende Geschichten enthält, habe ich die „Inlets“ dann noch mal quasi roh gelesen. Wie schön war es bei ‚Giesel + Ursel‘. Dann habe ich die besten Seiten oder die schönsten Zeichnungen noch ins neu geplante Büchlein dazwischen gemogelt.

 Der größte Lacher gelang mit bei dieser Buchauswahl:

 

Damit war die Beschenkte sehr glücklich, was sicher an dem guten Namen ‚Susanne‘ lag.  Sind bestimmt besonders humorvolle und edle Retter. Oder?!     

Also, das war schon ein operatives Geschäft mit Schere und Skalpell, aber irgendwie kam alles wieder an eine neue Stelle.

Nennt sich das schon Recycel?“

13 Kommentare

  1. Verpackung ist fast das wichtigste am Geschenk! Die erhöht die Freue ungemein, find ich. Drum hab ich da regelrechte Philosophien zu ausgearbeitet (z.B. Verpackung sollte einen Hinweis auf den Inhalt geben – ähnlich Farbe, ein Stückchen verwendeter Stoff, eine kleine Zugabe, die was verrät u.ä.)
    Das mit den alten Büchern als Notizcover ist genial! Schade, dass die Flohmarktsaison schon zu Ende geht…
    LG Zora

  2. Ja, Überwindung kostet das Zerfleddern schon. Aber wenn der erste Schnitt/Riss getan ist, geht’s leichter. Charmant ist das Finden irgendwelcher passender/ interessanter (Halb-)Sätze aus dem Buch – wie bei deinem Anhänger. Ich verpacke so gern, wenn ich mal dabei bin, können es auch mal 2 oder 3 Verpackungen übereinander werden – mir macht’s Spaß. Danke für’s Verlinken!

  3. Ich wollte mich schon beim letzten Post über Bücher und Fundstücke in Büchern melden hatte aber keine Zeit.
    Jetzt aber:
    1)Auf der Facbook Seite der Hauptbücherei/ Wien werden Fundstücke aus den Büchern gezeigt und besprochen.

    Was wir alles in zurückgegebenen Medien finden …

    Posted by Büchereien Wien on Tuesday, August 18, 2009

    zum Teil sehr witzig!
    2) Ich kaufe schon mal ein Buch auf dem Flohmarkt wegen der witzigen oder rührenden Widmung.
    3) Danke für die tollen Idee was ich aus Büchern alles machen könnte. Leider habe ich es bißher noch nicht geschafft ein Buch zu zerlegen das ich extra zu diesem Zweck am Flohmarkt gekauft habe. Das muß anders werden angesichts dieser Vorlagen.
    Liebe Grüße
    Teresa

  4. Du hast wieder einmal so schöne Dinge gezeigt, die man aus alten Sachen, wie z.B. Bücher/Papier machen kann.
    Manchmal geht es mir wie dir … denn die Enttäuschung über eine nicht beachtete bzw. kommentierte Verpackung, für die man sich viel Zeit genommen hat und die man selbst so richtig klasse findet – kenn ich ich gut!
    Beim Tun haben wir solch eine Freude und stellen uns natürlich die großen Augen des Beschenkten beim Auspacken vor …

    Danke für deine tollen Einfälle!

    herzliche Grüße von Ellen

  5. Irgendwo hatte ich die These gelesen, dass das Buch als physisches Objekt heutzutage an Bedeutung verliert – ist der Buchbesitzer früher noch an seinen Regalen entlanggegangen und hat sich und seine Persönlichkeit in den Büchern gespiegelt gesehen, so werde es heute immer unwichtiger, ein Buch tatsächlich zu besitzen. Ich glaube da ist was dran. Bücher, selbst Taschenbücher, kamen mir früher viel kostbarer als Besitz vor als heute – und das liegt nciht nur daran, dass mein Taschengeld im Verhältnis zu den Buchpreisen so gering war. Heute gibt es so einen transparenten Gebrauchtbuchmarkt, wenn es nicht etwas Seltenes oder etwas ganz Neues ist, bekommt man die meisten Bücher gebraucht für wenige Euro oder nur Cent – bei vielen Büchern, bei denen mir früher wichtig war, sie zu haben, denke ich jetzt – ach, ich könnte sie in fast jeder Bücherei ausleihen oder für wenig Geld nochmal kaufen – muss ich das Buch jetzt wirklich herumstehen haben? Damit wird es für mich auch überhaupt erst denkbar, Bücher zu verbasteln, habe den Schritt aber noch nicht gewagt. Vielleicht fange ich mit dem Fächerigel an, und nehme dafür ein Politik-Buch von Björn Engholm, als er noch die Hoffnung der SPD war (ja, solche Bücher bekommt man manchmal geschenkt, und es wurde nur wegen der Verbastelmöglichkeit aufgehoben, ansonsten ist es wirklich Altpapier).

    • Das stimmt ziemlich genau so. Ich war vor kurzem in der Lage, unsere Bücherwand um ein Drittel zu reduzieren – alles weggespendet. Ganz oft habe ich mir auf der Leiter bei der Auswahl gesagt: Zur Not kannst du dir das auch noch einmal wieder besorgen. Am Ende war es wie bei Denis Scheck an dem Fließband: Zack weg, zack weg. Jetzt müsste ich das auch noch bei Stoff können.

  6. Ich habe noch keine Fotos machen können, weil ich so etwas eben auch schon verschenkt habe und die Zeit momenatn auch anderem gehört.
    Aber dieses Thema müssen wir ausschlachten, da ist so viel möglich, wenn man sich denn traut.
    faltgrüße von karen

  7. Bei uns hängen alte Drucke an der Wand, die ich vor vielen Jahren in England gekauft habe. Sie wurden aus Büchern herausgetrennt. Damals habe ich auch schon überlegt, ob ich unsere alten Lexika ausräubere, um an noch mehr alte Drucke gekommen. Aber ich habe mich nicht getraut. Alles ist heil geblieben. Marie

    • Denke schon länger über die Verwendung der vielen vielen Fotos nach, die mein fotografiebegeisterter Vater im Lauf der Jahre z.B. in Weihnachtskalendern weitergegeben hat – Ideen habe ich schon, aber da wäre auch „Umwandlung“ dabei, da muss ich mich ebenfalls erstmal trauen.

  8. 1000 Dank – endlich habe ich diesen Buchschredder-Artikel wieder, den ich seit seinem Erscheinen erfolglos gesucht habe. Obwohl ich den Inhalt kannte, hat ihn mir keine Suchmaschine angezeigt. Welch Frust – wollte ich ihn doch meinen Kolleginnen in der Bücherei zeigen.
    Ich habe absolute Skrupel, Bücher zu zerstören, da ich mit meinen persönlichen Büchern die Erfahrung machen mußte, daß sie leider nicht mal eben zu ersetzen waren, wenn ich ein gutes Buch aus der Bücherei dann doch nachkaufen wollte für zuhause oder das von Schulkameradinnen gestohlene Färbebuch zu ersetzen mußte, daß sie so gut fanden, daß sie mir meinen Besitz erst gar nicht zurück gaben.
    Inzwischen bin ich aber auch bereit, mich von nicht benötigten Büchern zu trennen, sei es, daß einmal lesen reichte oder der Inhalt überhaupt nicht interessiert – sie kommen auf den Büchereiflohmarkt.

    Die Idee mit den Buchdeckeln finde ich klasse. So etwas hatte ich seit langem geplant – mir fehlte jedoch die geeignete Verbindung.
    Danke
    Thoma

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