Redensarten – Adventskalender – Woche 2

Jeden Tag bis zum 24. Dezember Auszüge und Bonusmaterial rund um das Buch „Verflixt und Zugenäht – Textile Redewendungen, gesammelt und erklärt„.

(Für Woche 1 hier klicken)

 

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Nautischer Knoten. 

Der Knoten ist auch ein Geschwindigkeitsmaß in der Seefahrt. Wenn ein Schiff in einer Stunde eine Seemeile zurücklegt, dann ist es 1 Knoten schnell. Das entspricht in etwa 1,8 Kilometer in der Stunde.
Der Name dieser nautischen Einheit kommt tatsächlich daher, dass für die Messung ein Seil notwendig war, in das in regelmäßigen Abständen Knoten geknüpft waren. Der für die Messung zuständige Seemann an Bord warf das am Ende mit einem Holzstück beschwerte Seil ins Wasser und zählte die Knoten, die durch seine Hand glitten, während eine Sanduhr lief. Je schneller das Holzstück mit dem Seil im Wasser abtrieb, desto mehr Knoten liefen durch die Hand, desto schneller fuhr das Schiff. (Auszug S. 109)

Loch à plateau

Logscheit mit Leine, Logglas (Sanduhr) und Logrolle. Auf der Rolle ist einer der Knoten erkennbar.

© Rémi Kaupp, CC-BY-SA, Wikimedia Commons

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„Mit nur einer Hand lässt sich kein Knoten knüpfen.“
Russisches Sprichwort

rope

„Durchschneide nie, was du auch aufknoten kannst.“
Portugiesisches Sprichwort

(Hört sich immer ganz schön an, wenn so ein Sprichwort einer Region zugeordnet wird. Das obere soll wahlweise auch aus der Mongolei stammen, das letzere ein Spruch des Franzosen Joseph Joubert sein.)

 

tag12

„Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Fusselbart.“  Sven Regener

Flausen, Flusen, Fusseln und Flausch sind sprachlich verwandt und meinen lose Fadenenden oder flockige Wolle. Wer Flausen im Kopf hat, dem fliegen also allerhand lose Dinge im Kopf herum.

In der Internetsprache wird ein Kuschelverhalten augenzwinkernd *flausch* genannt. Wer in sozialen Netzwerken Flausch weitergibt, der dankt, lobt, beglückwünscht oder will trösten.

 

 

tag11

zettel
Quelle Twitter

Etwas anzetteln – ein Ausdruck aus dem Weberhandwerk.

„Um ein Stück Stoff zu weben, müssen auf dem Webstuhl zunächst lange Fäden, die sogenannten Kettfäden, gespannt werden, durch die dann später quer hindurchgewebt wird. Diese Längsfäden werden Zettel genannt. Am Anfang einer Webarbeit steht also immer der Zettel, ohne diese gespannten Kettfäden kann das eigentlich Weben nicht beginnen. Wer etwas anzettelt, setzt damit die Startpunkte für eine Entwicklung.“  (Auszug S. 52)

 

tag10

Ins Garn gehen

Garn war früher ein anderes Wort für Netze, die beim Fischfang und in der Vogeljagd benutzt wurden.

„Es gab Fischgarn und Vogelgarn als Fangnetze. Mit Vogelgarn waren verschiedene Arten von Fallen gemeint, die vor allem für kleinere Vögel gedacht waren. Geht also jemand ins Garn, dann geht er in die Falle wie ein Vogel, der gefangen wird. Damit zusammen hängt auch die Redewendung jemandem auf den Leim kriechen. Eine Variante der Vogelfallen bestand aus einer mit Leim bestrichenen Rute, an der die Vögel hängen blieben. Die Vögel waren auf den Leim und damit auch ins Garn gegangen.“ (Auszug S. 101)

neuer orbis pictus 1832vogelgarnVogelfänger mit Vogelgarn – im Baum hängen auch noch Fallen. (Abbildung wieder aus Neuer Orbis Pictus – eine wunderbare Fundgrube)

 

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„Die Gewohnheit ist ein Seil. Wir weben jeden Tag einen Faden, und schließlich können wir es nicht mehr zerreißen“
―Horace Mann

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Tyne & Wear Archives & Museums via Flickr

 

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Nun sind wir schon in der zweiten Woche und kehren zu den Schneidern auf ihren Tischen zurück. Inzwischen habe ich  im ersten Bilderlexikon für Kinder, dem Orbis Pictus (Die Welt in Bildern) eine Schneiderszene aus dem Jahr 1658 gefunden. Rechts neben dem Ofen wird zugeschnitten, und links auf dem runden Tisch wird genäht. Wie man sieht, gibt es dreibeinige Hocker, die am Tisch anlehnen. Ein Schneidersitz ist nicht nötig. Deutlich ist aber, dass der Stoff auf den Knien aufliegen soll.

sartororbispictus1

Auch hier kann etwas unter den Tisch fallen…

Unter den Tisch fallen

Wenn man bei einer Reihe von Angelegenheiten, vor allem bei einer Besprechung, etwas vergisst, dann fällt die Sache unter den Tisch. Es gab auch die Redensart »Dem Schneider ist viel unter den Tisch gefallen«. Früher brachten die Auftraggeber das Tuch, das sie vernäht haben wollten, selbst zum Schneider. Stoffe waren sehr teuer und es war wichtig, dass der Schneider mit dem Stoff des Auftraggebers sparsam umging und ihn nicht betrog. Der unredliche Schneider konnte versuchen, möglichst viele Reste für sich zu behalten. Unter seinem Arbeitstisch hatte er einen Behälter, in den er die Stoffreste warf. War dem Schneider viel unter den Tisch gefallen, so hatte er viel vom Stoff des Auftraggebers für sich selbst behalten. Der Kunde musste mit dem Schwund leben. (Auszug S. 83)

Nachtrag : Aus einer 200 Jahre späteren Version des Orbis Pictus (1832) noch eine Tischszene, die Nähgesellen sind ans Fenster gerückt, der Schneider nimmt Maß.neuer orbis pictus schneider1832

6 Kommentare

  1. Sehr interessant! Sowohl Bild als auch die Redensart. Da wäre ich nicht drauf gekommen, dass dies aus dem Schneiderhandwerk kommt. Arbeiten auf dem Tisch macht ja wirklich Sinn in jeder Beziehung, deshalb hat mich das erste Bild zum Schneidersitz ziemlich irritiert, wo alle auf dem Fußboden sitzen.
    LG Karen

  2. Interessant, dass sich dieser dreibeinige Hocker nicht durchgesetzt hat. Sowas habe ich noch nie gesehen. Aber wahrscheinlich war die Unfallgefahr zu groß, das muss ja eine wackelige Angelegenheit sein!

  3. Im letzten Beitrag in den Kommentaren ist noch ein Foto von Schneidern auf Tischen im 20.Jahrhundert. Für das 19. Jahrhundert füge ich oben noch ein Bild ein. Diese dreibeinigen Hocker finde ich wirklich auch irre, dieses Bilderbuch über die Jahrhunderte ist ein tolle Quelle. Morgen kommt glaub ich noch mehr.

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