Menschen vom Anfang des letzten Jahrhunderts kennen wir eigentlich nur in Schwarz-Weiß. Zum Glück gibt es aber ganz frühe Farbfotografien, die ein anderes Bild vermitteln.
Dieses junge Mädchen bestimmt offenbar mit einem Botanikbuch auf dem Schoß ein Blütenblatt. Es trägt ein rotes Kleid, aus einem ziemlich pilligen Stoff, wenn man ganz genau hinsieht. Ein rauer Flanell vermutlich?
Von solchen sogenannten Autochromen habe ich hier einige zusammengetragen. Ich finde sie faszinierend, sowohl von der Stimmung als auch vom Ausdruck der Menschen her.
Autochrome war ein frühes Verfahren für Farbfotografie, 1903 von den Brüdern Lumière in Lyon entwickelt.
Auf Schwarzweißfotos sehen die Frauen mit den Wagenradhüten immer so unwirklich aus. Aber hier, auf diese Art in Farbe festgehalten, werden sie zu Menschen aus Fleisch und Blut.
Das Bild gefällt mir so, dass ich es noch ein bisschen aufgearbeitet habe.
Bei den folgenden drei Frauen haben ich auch nachgeholfen. (Bei allen Fotos: Klick aufs Bild für den Link zur Quelle.)
Der Hut unten ist etwas kleiner, im Vorstadium zur Wagenrad-Mode.
Die Fotos sind eigentlich Dias, die sich aus einzelnen Farbpunkten zusammensetzen (auf der Fotoplatte eine Mischung aus eingefärbter Kartoffelstärke, durch die das Licht selektiv hindurchgeht). Das verstärkt für mich den impressionistischen Eindruck.
Die Textildetails kommen gut heraus. Stickereien, Stoffe, Spitzen, Falten …
Szene mit Kaffee, Bier, Zigarette und Zeitung. (Leger, aber arrangiert? Wer säße schon so nah an einer Blumenvase. Und die Belichtungszeit war ziemlich lang, Stillhalten angesagt.)
Menschen, die lächeln. (Eduard Zeegers, der Sohn des Fotografen Jan Zeegers, hat sich in ein Tuch gewickelt.)
Die Farben! – Auf einem Schwarz-Weiß-Foto würde man sich die Jacke niemals als rot vorstellen, die Schleife nicht als so schön fabrig gemustert.
Wollsocken.
Diese Armbanduhr wäre heute sehr modern! Der Saum des Rocks wurde offenbar mit der Nähmaschine festgenäht.
Das kleine Mädchen in Blau-Weiß-Rot, mit Puppengeschirr und sogar einer Klingel auf dem Tischtuch – was es wohl gerade spielt?
Auch Interieurs wirken gleich ganz anders. Als stünde man wirklich im Raum.
Aus diesem Tisch in Schweden wächst es schön grün heraus, da müsste man auch mal recherchieren, was das für ein Blumentisch ist (oder weiß es jemand?).
Einige absurde Sachen gibt es – wie hier ein Wildstillleben, sorgfältig arrangiert mit Rosen.
Leider musste ich die Hälfte meiner Funde wieder löschen, ich hatte nicht gemerkt, dass die Werke des Photografen Jakob Olie noch unter Copyright sind. Ihr könnt die Sammlung aber direkt beim Rijksmuseum durchsehen, da sind schöne Menschenbilder dabei.
Vielen Dank an das Rijksmuseum und die anderen Datengeber, dass sie die anderen Aufnahmen ohne Einschränkungen nutzbar zu machen! Nur so war es mir möglich, die Bilder hier im Blog zu zeigen und zu verbreiten.
Mit ein paar Strandbildern von der niederländischen Nordseeküste verabschiede ich mich in den August – schöne Sommertage euch!
Oh ja, absolut faszinierend, wie klar manche der Bilder auch sind. Das Foto mit dem „Blumentisch“ wirkt, als ob man sich einfach hinsetzen könnte. Ich wäre gespannt, welchen Ausblick man aus dem Fenster hat. Gerade vor ein paar Tagen habe ich eine ähnliche Zusammenstellung gesehen, da saß eine junge Frau im Badekostüm am Strand. Die Farbe macht die Bilder unglaublich lebendig. Schön. lg, Gabi
Vielleicht hattest du diese Fotos gesehen? Sie sind traumhaft. https://blog.scienceandmediamuseum.org.uk/how-the-girl-in-red-from-a-1913-photo-became-a-social-media-starlet/
Bloß ist da Copyright drauf, sonst hätte ich sie auch gern gezeigt.
Der Blumentisch ist schon mit einem fortgeschrittenen Verfahren fotografiert, von Agfa. Da war die Beschichtung schon aus Farbpünktchen, nicht mehr aus Stärke.
Tolle Aufnahmen! Ich wusste nicht, dass dies technisch Anfang des 20. Jahrhunderts möglich war.
Ja, ich bin immer wieder begeistert. Es gibt noch tollere Bilder, siehe Links (wegen Copyright zeige ich sie nicht).
Jacques-Henri Lartigue
https://g.co/kgs/VFgGfN
Liebe Susanne,
Immer wieder schön, deine Geschichten zu lesen.
Kennst du den Fotographen Lartique ( siehe link oben)?
Von ihm gibt auch sehr schöne frühe Farbfotografien … .
Liebe Grüße,
Bettina
Ja, tolle Fotos! Bloß auch mit copyright. Hier ein paar Einblicke https://d.repubblica.it/moda/2014/02/03/foto/off_sunday_lartigue_fotografia-1995890/4/#share-top
Großartige Fotos!
Danke!
Sozusagen realistischer Impressionismus.
Die Stimmungen sind viel dichter als bei den schwarz/weiß Aufnahmen!
Sehr sehr schön, was du gefunden hast. Mich fasziniert immer wieder die räumliche Tiefe dieser alten Fotos. Das schafft keine heutige Aufnahme, weder digital, noch analog, finde ich. Es könnte etwas mit der langen Belichtungszeit zu tun haben. Auch die Tiefenschärfe ist toll.
Ich denke das Kleid des Mädchen ist nicht pillig, dazu ist es viel zu gleichmäßig verteilt. Ich tippe eher auf ein sehr görniges Garn als Webgrundlage.
Der Blumentisch ist eine großartige Idee, so haben die Pflanzen Licht, aber man kann trotzdem die Fenster öffnen, aber vielleicht standen auchdie Dinge auf dem Fensterbrett vorher darin und die Pflanzen dort.
viele Grüße, Karen
Tolle Fotos. Fast noch spannender als die abgebildeten Personen ist das Drumherum, was sich da alles entdecken lässt. Vielen Dank für die wunderbare Zusammenstellung :)
LG heike
Diese Hüte! Da musste man wirklich Haltung bewahren, aber klar waren das wohl eher Sonntagssachen und Fotoprops.
Deshalb mag ich gerade die wenig gestellt wirkenden Kinderbilder gern, das ist so aus dem Leben gegriffen. Und deren Kleidung ist tatsächlich heute noch tragbar!
Thaanks for sharing