„Auf der Suche nach einem neuen Modell“ ist das Foto betitelt, der Modeschöpfer inszeniert sich als Künstler, dirigiert mit dem Stock, wohin die Stoffbahnen gesteckt werden sollen.
Die Mannequins des Modehauses sind dafür angestellt, den Kundinnen die Modelle im Verkaufsraum vorzuführen. Hier kleiden und frisieren sich die jungen Frauen, wählen Haarteile aus, eine liest.
Auf einem Foto versammelt, bereit für die nächste Kundenpräsentation.
Im Verkaufsraum.
Wohlhabende Kundinnen sehen sich um, während ein Page scheinbar schicksalsergeben wartet.
Die Greifvögel an der Wand fügen sich gut in diese Mode zwischen Historismus und Jugendstil.
Eine Kundin in der Anprobe.
Nun geht es hinter die Kulissen in die oberen Etagen, die Werkstätten.
Für die Oberkleidung sind Männer zuständig, die Tailleurs.
Die Blusen für untendrunter sind Frauensache.
Unter dem Dach wird genäht.
Ein Saal für die Stickerinnen, die Fenster weit offen – es scheint warm zu sein.
Die Zeichner bringen die Entwürfe aufs Papier.
Mit dem schwarzen, angelartigen Gerät links wird das Papier der Vorlage mit kleinen Löchern perforiert, um dann mit Kreide das Muster auf den Stoff durchpausen zu können. (Falls ich mich irre, bitte melden).
Maschinell wird auch schon gestickt, vorn rechts sind zwei Stickmaschinen zu erkennen, oder?
Dieses Foto mag ich auch sehr gern, so viele Federn bei den Hutmacherinnen:
Es war die Zeit der Wagenrad-Hüte, die gut zur schlanken Kleidersilhouette passten. (Wobei sich meist nur die modischen Damen mit großem Portemonnaie diesen Look leisteten).
Was geschieht hier unten, im Rücken der Dame mit dem weißen Federschmuck? Wieso hängt am Hut hinten ein dreieckiges Gebilde dran, in das eine andere zeichnet oder schneidet? Merkwürdig.
Die Lampen sind mit viel Stoff bezogen, auch in der Pelzwerkstatt:
Gegessen wird an langen Tafeln, es gibt gerade Käse, Brot und Wein.
Es scheint den Angestellten ganz gut zu gehen, sie sind auch gut gekleidet – aber wer weiß, wie inszeniert die Fotos sind.
Im Stofflager…
und der Verpackungsabteilung.
Auslieferung, das wars.
Die Bilder (Ausschnitte von mir) stammen aus Les Createurs de la Mode von 1910, einer Sonderausgabe der Zeitung Figaro. Ich konnte ich mich gar nicht sattsehen, so viel Blick hinter die Kulissen ist selten und ich zeige auch nur einen kleinen Teil. (Gefunden über Messynessychic).
… und wie die Arbeit im Kaufhaus organisiert war – und ein paar saftige Intrigen – kann man dann bei Zola im Paradies der Damen nachlesen. Das sind großartige Bilder, und ich fühle mich gleich an einige Szenen des Romans erinnert. Aber wie stark das inszeniert wurde, würde ich auch zu gerne wissen.
An das „Paradies der Damen“ musste ich auch sofort denken. Total interessant- Danke.
Zauberhafter Fotospaziergang, ich habe es genossen. Herzlichen Dank!
Liebe Grüße
von Constanze
Spannend! Wirkt so viel menschlicher, als die inzwischen übliche Massenproduktion…
GLGAstrid
Ganz wunderbar! Vielen Dank!
Lieben Gruß
Maria
Danke für diese wunderbaren Bilder. Ich werde sie mir sicher noch einige Male anschauen!
Ganz schöner Fund!!!! Ich denke inszeniert ist das zu dieser Zeit nicht, man war doch gerade stolz so etwas ablichten zu können. Allein die Fotoapparate, die riesig und schwer waren bis unters Dach zu schleppen war schon ein Akt! Ich denke das einzige ist, dass sie angewiesen wurden still zu halten in der Bewegung, damit es nicht verwackelt und so sehen auch einige Bilder aus.
Bei der Dame mit Hut, könnte die Perspektive täuschen und die Nachbarin hat ein Krempe für einen neuen Hut in der hand mit loch in der Mitte für den Kopf.
Was ich heftig finde ist die Enge beim Arbeiten und die Fülle der Lampen .Heute hat ja jeder eine Lampe direkt am Tisch, hier ist nur Oberlicht vorhanden. Und dann Sticken oder schwarz nähen.
viele Grüße, Karen
Vielen Dank für den tollen Beitrag.
Mir ist sofort auch „Das Paradies der Damen eingefallen“ (Zola) Ich habe das Buch erst kürzlich gelesen und diese Fotos sind die perfekte Ergänzung. Es gibt zwar auch einen Film aber die Bilder sind natürlich aus der Zeit und viel schöner.
Zur Auslieferung fällt mir folgende Geschichte ein: Meine Großmutter, Jahrgang 1901 hat Schneiderin gelernt und mußt als Lehrmädchen oft auch ausliefern. Sie sollte den Karton mit dem Kleid flach vor sich hertragen damit das Kleid darinnen nicht verdrückt wird. Kaum aus Sichtweite der Werkstatt hat sie den Karton unter den Arm geklemmt und erst kurz vor dem Ziel den Karton wieder in die Waagrechte gebracht. Dann hat sie den Karton sanft geschüttelt damit das Kleid nicht in einer Ecke liegt und hat dann gehofft, dass das nicht auffällt. Diese Geschicht hat sie oft erzählt.
Danke für die schönen Bilder und liebe Grüße
Teresa
Herrliche Wimmelbilder auf denen es so viel zu entdecken gibt! Hast du die lesende Frau am geöffneten Fenster bei den Stickerinnen gesehen? Liest sie den Damen etwas zu Unterhaltung vor damit die nicht so viel schwatzen?
Und die kunstvollen Frisuren, auch bei den petits mains!
Wie Karen finde ich auch die Enge schwierig, da wurde ja nicht an Etuileidern genäht sondern echte Stoffmassen gebändigt. Und das in dem vollgestellten Gedränge. Da nicht den Überblck zu verlierenist eine logistische Meisterleistung.
Danke, dass du uns immer wieder so kleine Kostbarkeiten zeigst!
Oh, was für tolles Bildmaterial! Da gibt es viel zu entdecken… Hängt bei den Stickerinnen im Hintergrund dunkler Samt an den Bändern? Eine aufgespannte Stickerei ist es zumindest nicht. Und ich denke, dass es sich bei den Maschinen um Kettenstichmaschinen handelt. Diese Stichart war ja ziemlich populär in der Zeit.
Die Enge finde ich unfassbar. Ich habe beim Arbeiten einen ziemlichen Expansionsdrang und finde schon Aufnahmen aus den heutigen Haute-Couture-Werkstätten beklemmend. Aber hier?! Kombiniert mit der allgegenwärtigen Plüschigkeit…Liebe Güte.
Danke für das Teilen dieses Fundes. Da sitze ich sicher öfter drüber!
LG, Bele