Ist so kalt der Winter

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Junge Frau wärmt ihre Hände über heißen Kohlen, Winter-Allegorie (Ausschnitt), um 1644/48

„Minus 7 Grad in Neu-Globsow“, meldet das Radio in Berlin. Keine Ahnung, wo Neu-Globsow liegt, aber an meinem Arbeitsplatz unterm Dach ist auch ziemlich kalt. Draußen pfeift der Wind. Ich trage sogar Bison-Handschuhe beim Tippen. Dann denke ich an die Menschen früher, als es noch keine Zentralheizung und keine Hightech-Thermoklamotten gab. Wie haben sie das ausgehalten?

horaeadusumDetail Horae ad Usum parisiensem, BnF

Im Mittelalter schützte ein Lagen-Look aus Fell, Leder, Wolle und Leinen  vor der Winterkälte. Das  Feuer im Kamin wärmte nicht nur Hände und Füße, manchmal kam der ganze blanke Unterkörper an die heiße Luft.

tacuinumDetail Tacuinum Sanitatis, BNF

tresrichesheuresDetail Tres Riches Heures, 1412/16

Wie man sieht: Unterhosen waren unüblich.

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Auf dem Weg ins Haus zum Feuer schon einmal die Hände mit dampfendem Atem anhauchen:

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200 Jahre später im Barock geht es auf den niederländischen Eislaufbildern recht entspannt zu.

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Winterlandschap met schaatsers, Hendrick Avercamp , ca. 1608

Die Bilder beim Rijksmuseum sind wahre Wimmelszenen mit vielen interessanten Details. Zum Glück lässt das Museum uns ganz nah heranzoomen.

skate3Schlittschuhkufen werden an die Schuhe geschnallt. Die feinen Leute haben sich mit ihren Spitzenkragen herausgeputzt, die ärmeren tragen Wollumhang und Filzkappe.

Beliebtes Motiv: Frau fällt „zufällig“ so unglücklich hin, dass ihr blanker Hintern frei liegt. (Immer noch ohne Unterhosen). Die vielen Rocklagen hielten wahrscheinlich ganz gut warm.

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1625, ein anderer Künstler will mit dem nackten Pomotiv  witzig sein (links). Die reiche Frau in der Mitte trägt Muff und Pelzumhang. Rechts wird „Kolf“ gespielt, eine Mischung zwischen Golf und Eishockey.

1630/79 Auch auf diesem Bild unten sind Kolfschläger zu sehen. Wohlhabende stehen in Stiefeln auf dem Eis, die anderen mit Pantinen und dicken Socken. Das Pferd hat Spikes unter den Hufen.

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Mehrere Personen sind im Eis eingebrochen, aber Hilfe naht schon.

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(oben und unten Details Averkamp 1610)

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Hände kann man auch unter der Kleidung warmhalten.

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Meine (vom Mann geliehenen) Bisonhandwärmer lassen mich an Liselotte von der Pfalz im Winter 1721 denken. Ihre Strümpfe aus Castor (Biberhaar) sahen vielleicht ähnlich aus.

… nach halb 6 bin ich auffgestanden, habe mich ahngezogen, ein par gutte Strümpff von castor ahngethan, einen tugendten [tuchenen]  Unterrock und über dieß alles einen langen, gutten, wattenen nachts-rock, welchen ich mitt einen großen, breytten Gürttel fest mache.

Nach wie vor sind mir vor allen Hightech-Materialien die tierischen Wärmespender am liebsten. Meine superwarmen Wollstrümpfe habe ich mit Ledersohlen verbessert.

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Die Hüttenschuhsohlen zum Annähen kann man z.B. bei Hobby Rüther kaufen. Sehr praktisch und sehr gemütlich, wenn auf dem Dachfenster das Eis liegt.

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Euch allen warme Finger und Zehen, bis bald!

aver(Detail Averkamp 1610)

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Nachtrag, gerade bei Twitter via Stella (@daskleinehaus) gefunden: Was man mit den Haaren seiner Haustiere so alles stricken kann

11 Kommentare

  1. Ja, früher hatte man im Winter was auszuhalten .Hatte man früher nicht für die Füße Bandagen , komme nicht auf den Namen .
    Die Bilder sind wieder wunderschön .
    Wir haben hier schon Osterglocken und Rosen . Ruhrgebiet .

  2. Ich bin ja im Dorf im Himalaya aufgewachsen, wo auch noch nicht alle Unterhosen tragen und da war im Winter alle Männerkleidung aus gekochter Wolle und die Frauen hatten über ihren Kurtis (Pyjamas) Wolldecken an, die geschickt zu Kleidern gewickelt wurden. Und eigentlich waren alle so viel wie möglich drinnen, alle in dem einen Raum wo der Ofen stand, dort wurde gehandwerkt und gekocht und in besonders kalten Nächten auch geschlafen… Aber das jemand mit nackten ähem… Beinen vor dem Ofen hockt habe ich nie gesehen…

  3. Schön gefunden! Und herrliche Einblicke.Ich glaube wir sind ganz schöne Weicheier geworden mit der Möglichkeit ständig und überall warme Räume zu haben.Meine Mutti berichtet noch von Schläfräumen der Großmutter, die Eiskristalle an den Wänden im Winter hatten und von angewärmten Steinen, die ins Bett gelegt wurden.Bei meiner alten Tante waren an Wohnungs-und Stubentür zwei dicke Vorhänge und immer alle Türen zu..Und natürlich dicke Filzpuschen.
    Naturmaterialien sind zum Wärmen viel besser, davon bin ich schwer überzeugt. Ab Oktober trage ich zu Hause als Frostbeule wollene Stricksocken, sonst würde ich eingehen. Außerdem haben sie so eine Art Selbstreinigungspotential.Wolle muß nicht ständig gewaschen werden, aber Kleidung aus Chemie sehr wohl, denn sie stinkt bestialisch nach schweißtreibender Tätgkeit. Allerdings gibt es bereits japanische Hytech-Klamotten, da steht sogar drauf, dass sie geruchsfrei sein sollen. Glaube ich nicht, so!
    Der einzige Vorteil ist das Gewicht aus meiner Sicht.Mäntel meiner Oma möchte ich heute nicht tragen müssen.Bei einem Festumzug einer Grafschaft in der Bretagne, die wir in einem Urlaub erleben konnten,trug die Dame ein original wollenes Kleid.Mit allem drum ,dran und drunter satte 25 Kilo!!!
    Winterliche Grüße karen

  4. Wieder ein wunderbarer Überblick! Danke dafür.
    Ich freue mich mich immer wieder, in so einer günstigen Gegend der Welt zu einem so angenehmen Zeitpunkt geboren zu sein. Und auch – besonders aktuell – über unsere Zentralheizung. Ich kann mich nämlich noch gut an den Kohleofen erinnern…

    Ein gutes neues Jahr noch!
    Petra

  5. Eine Führerin in einem Bauernhofmuseum hat mal von ihrer Kindheit erzählt, als sie im Winter unter der unisolierten Dachschräge geschlafen hatten. Da hatte die im gleichen Bett schlafende Schwester am Morgen Raureif an den Wimpern. Die Türstöcke in den Bauernstuben waren wohl auch deshalb auch so niedrig, weil so die nach oben steigende Wärme besser in der guten Stube geblieben ist und bei geöffneter Tür nicht so nach außen gefallen ist.
    Diese Wintererzählungen von damals hat mich nachhaltig beeindruckt und ich weiß nicht wie oft ich das alles schon meinen Kindern erzählt habe wenn sie meinen dass 20 Grad zu kalt für ein Wohnzimmer wären……
    Demnächst ergänze ich meine Belehrungen mit deinen Bildern, das ist nämlich auch ganz schön plastisch ……

  6. Hallo! Wohne in schwedisch-Lappland, aktuelle Aussentemparatur: -31Grad. Was wir anhaben, wenn wir kurz mal raus muessen: Unterwäsche, lange Unterhose, Socken, Wollsocken, Pulli, Hose, Wollpulli oder Fleece, skihose, Daunenjacke, Handschuhe, Schal, Muetze, Stiefel. Es dauert etwas bis die ganze Familie bereit ist….

  7. Liebe Suschna, vielen Dank für die erhellenden und erheiternden Einblicke und noch ein gutes Neues Jahr. Ich finde Deine Beiträge immer wieder interessant und sehr sympathisch geschrieben. Liebe Grüße, Ingrid B.

  8. Wie wunderbar, dass ihr nun noch etwas beitragen konntet. So ergibt sich immer ein schönes Mosaik aus Erfahrungen und Erinnerungen, mehr Wissen als ich je recherchieren könnte. Im Moment bin ich gerade beim Thema Betten und Wärme hängengeblieben, vielleicht schreibe ich dazu auch noch etwas.
    Jedenfalls vielen Dank für all eure Rückmeldungen, freut mich sehr!

  9. Also wir haben erst seit letztem Winter keine Eisblumen mehr innen am Fenster…Leider sind wir vollisoliert worden…wir haben 9 Zimmer und hatten 3 Öfen die ständig bestückt werden mussten. ..jetzt ist alles fort…externe Heizanlage und doppelschnickschnak Panzerglas fenster. Natürlich bietet es mehr Komfort, aber ein Leben direkt an der Jahreszeit ist zwar anstrengend aber auch sehr wertschätzend. ..von modernen Kunstfasern halte ich ja nicht so viel..ich mag auch den tierischen Ursprung, und finde auch sinnvollen Pelz nicht schlecht…da steh ich aber allein auf weiter Flur….eine Hasenfelljacke wär mein Traum…

    Liebe grüße
    Stella

  10. Mit Kälte komme ich gut zurecht; was mich im Winter stört, sind überheizte Räume. Was mir dabei auch noch einfällt: wir hatten jahrelang in unsrem Wohnwagen kein Campingklo. Wenn man dann im Winter bei -15°C mal raus musste, war erst mal einmummeln angesagt.

    LG
    Ulrike

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