Vorfreude

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Schuhe, Büsten, Kostüme – bereit für die Ausstellung im Kunstgewerbemuseum

Endlich wird Berlin  auch eine ständige Kostümausstellung haben.   Für November 2014 ist die Neueröffnung des Kunstgewerbemuseums am Kulturforum geplant.  Der Umbau bietet Platz für die Präsentation historischer Mode und Accessoires.  Zur Zeit werden die in den letzten Jahren erworbenen Sammlungen Kamer/Ruf  und Uli Richter katalogisiert,  restauriert und präsentabel gemacht.  120 Figurinen zeigen dann Mode des 18. – 20. Jahrhunderts, dazu gehört eine umfangreiche Schau von Accessoires.

Zum Glück liegt das Kunstgewerbemuseum gleich neben der Gemäldegalerie. Dort gab es am Wochenende  Führungen zum Thema Mode in Dauerschleife.

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Unerschöpflich die Geschichten, wenn man Gemälde anhand der gezeigten Kleidung aufschlüsselt.

Hier zum Beispiel der fiese Kerl in rot-grün, der Jesus am Seil zieht: Er trägt ein teures, gefärbtes und zweifarbig gewebtes Obergewand. Aber seine Beine sind nackt und kaputt, die Mütze ist löchrig. Offenbar ein Bettler (Nachtrag: Scherge, Knecht), der von einem wohlhabenden Herren mit einem abgelegten Mantel beschenkt wurde.

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Wurzacher Altar , Hans Multscher (um 1400), Gemäldegalerie Berlin, Detail

300 Jahre später zeigt der humanitär engagierte Adel seine gesellschaftliche Stellung über die Schuhe: Rote Absätze und Sohlen sind damals dem männlichen Adel und dem Klerus vorbehalten.

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Regentinnen und Regenten des Heims für alte Männer und Frauen , 1676, Adriaen Backer, Gemäldegalerie Berlin, Detail

2014 denkt man bei roten Sohlen nur noch an Louboutin – und der bekämpft Konkurrenten vor Gericht,  wenn sie „sein“ Markenzeichen nachmachen.

Auch in der Gemäldegalerie am letzten Wochenende: Eine sehr inspirierende Modenschau der ESMOD. Da juckte es einem vor Lauter Ideen in den Fingern, sich gleich auf die Nähmaschine zu stürzen. Vor allem fielen uns die skulpturalen Elemente auf.  Asymmetrische Faltungen, plastische Steppungen, grober Zopfstrick. Und viel 90er.

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Meine eigene kleine Modenschau hatte ich dann noch, als eine ältere Dame vorbeischlenderte. Das Bild hänge ich mir mental auf.

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Vorfreude auch darauf, zwanzig Jahre älter zu werden!

9 Kommentare

  1. Danke für den Hinweis, denn im Herbst möchte ich gerne mal wieder nach Berlin. Deine Texte lese ich immer sehr gerne, interessant etwas im Zusammenhang mit Kunst zu erfahren.
    Dein Foto Silberhaar + -Kleid gefällt mir.
    Bei roten Schuhen denke ich an das Schuhfoto vom Papst „Der Teufel trägt …
    LG Ute

    • Danke für die Rückmeldung (und ich habe durch deinen Hinweis den Kunst+Textil Katalog gebraucht günstig gefunden, nicht bei Ebay aber anderswo).
      An den Papst musste ich auch denken, das hängt bestimmt irgendwie zusammen

  2. Bin gespannt, wie sie es aufbauen und präsentieren.Eine Dauerausstellung dieser Art fehlt in B schon lange und die Sammlung J. von Krepl zu erwerben, hat sich damals keiner „getraut“. Das Angebot stand. Vielleicht ist man erst richtig munter geworden, als Meyenburg ihr die Möglichkeit gab?
    Die Hintergründe alter Malerei über Kleidung aufzudecken, ist wie ein Krimi!
    Ich möchte bitte auch so lange graue Locken. Vorfreudige Grüße karen

    • Ach echt, die Sammlung war zu kaufen? Da hatte ich auch daran gedacht, wie das gewesen wäre. Wahrscheinlich scheiterte es eher am Geld. Oder die Breite der Sammlung? Die Museumsfrau am Wochenende meinte, sie seien nun auf dem Niveau des Musee des Arts decoratifs in Paris. Es war ein ziemlicher Kraftakt, die Ankäufe zu finanzieren, da musste der Bund erst überzeugt werden. Und wenn man bei einem kleinen Restauratorenfilm bei der Vorschau sah, was für ein Aufwand die Bewahrung und Präsentation der Sammlung bedeutet, dann braucht man unglaublich viel Geld für so ein Unterfangen.
      In Meyenburg konnten wir auch schon einer Motte beim Fressen zuschauen – es ist echt eigentlich traurig.

  3. Von Krepl hatte einen Laden in den 90ern am Kollwitzplatz, in dem sie diverse Kleidung und Schmuck, die wohl zuviel waren, verkaufte. Dort waren wir mal und erfuhren, dass sie ihre Sammlung Berlin angeboten hat, aber keiner Anbiss.Ich denke auch, dass die Finanzen noch nicht reif dafür waren bzw.die Priorotäten noch anders waren.
    Textilien konservieren ist ne harte Aufgabe!

  4. Der Typ in rot-grün, der Jesus zieht – kann das wirklich ein Bettler sein? Man würde doch keinen Bettler beauftragen, einen zum Tode Verurteilten zur Richtstätte zu bringen. Kann es nicht viel eher sein, dass der Typ ein Soldat ist, der sich ein schniekes Outfit erplündert hat? Macht vielleicht auch nicht soviel Sinn, denn von Rechts wegen sollte der dann eine Uniform anhaben, aber ein Bettler?

    • Ja, sehr spannend, ich habe mich das auch schon gefragt. Bei der Führung wurde uns das mit dem Bettler so erklärt, aber vielleicht war auch eher generell gemeint: Hier hat ein armer Mensch von einem wohlhabenden Menschen einen Mantel übernommen. Wenn ich mal Zeit habe, versuche ich mehr über die Szene herauszubekommen, dann melde ich mich hier noch einmal. Danke für die Anstoß!

      • Habe nur kurz geguckt, bei Kreuzwegbeschreibungen werden solche Figuren meist als „Schergen“, also eine Art Henkersknechte bezeichnet.

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