Neuer Versuch Improvisation
Heute zum Quilt-Guild Treffen wird es wohl kein stundenlanges „Hallo ich bin X und das ist mein neuestes Werk“ geben, weil wir endlich mal die Nähmaschinen nutzen wollen. Also verlege ich mein ShowAndTell hierher in den Blog und hole etwas weiter aus.
Vor längerer Zeit hatte ich schon einmal über die Quilts von Gees Bend gebloggt. Diese seit den 1920er Jahren entstandenen Restedecken afrikanischstämmiger Amerikanerinnen faszinieren mich weiterhin. Vor allem frage ich mich immer wieder: Wie konnten die Frauen es schaffen, solche Zusammenstellungen zu finden?
Die Quilts sind improvisiert, das heißt sie folgen nicht einer streng vorgegebenen Muster- und Farbvorgabe sondern entstehen mehr „aus dem Bauch heraus“.
Bisher dachte ich, Impovisieren ginge so, wie es bei Denyse Schmidts Paper Bag-Methode abläuft: Man hat eine Tüte mit Stoffresten, greift wahllos hinein und näht dann so ein krummes Log-Cabin-Muster, auf englisch „wonky“ genannt. Ich mag die Ergebnisse, glaube aber, dass bei Denyse Schmidt schon von vornherein sehr schöne Stoffreste in den Tüten sind , da kann nicht so viel schief gehen.
Diese wahllose Paper-Bag Methode funktionierte bei mir – ohne durchgängig trendige Stoffeste – nicht. Es kam wirklich nur belangloser Murks dabei heraus und ich musste wenigstens mit einem Farbkonzept korrigierend eingreifen, wie bei dieser Decke:
Dann aber fand ich bei Daintytime viele Projekte und Überlegungen zum Thema Improvisation mit Stoffen. Sherrri Lynn Woods Quilts finde ich sehr überzeugend. Sie nimmt zwar für ihre Farbstudien besondere selbstgefärbte Stoffe, aber sie arbeitet unter anderem auch mit getragener Kleidung und macht daraus Erinnerungsquilts. Bei beidem überzeugen mich die Ergebnisse.
Ich fühlte mich inspiriert und startete einen Versuch nach Sherris Vorgaben für Floating Squares .
Das Material sollte sein: 1 großes Stück einfarbiger Stoff, 1 Stück karierter oder gestreifter Stoff, 1 Stück Stoff, das einem eine Freundin gegeben hat (völlig egal, welcher Art) und Streifen von aneinandergenähten Stoffresten (auch ganz egal, welcher Art). Bei mir sind netterweise gleich zwei Stoffe dabei, die mir Freundinnen gegeben haben. Beides Bettzeug, einmal aus dem Krankenhaus, einmal aus dem Nachlass einer Tante.
Nun sollte man die Stücke nach Gefühl in Quadrate zerschneiden und diese Quadrate dann aneinandernähen, Lücken sollten mit Stückchen der Stoffrestestreifen gefüllt werden. Alle Stoffe mussten verbraucht werden. Hier ein Zwischenstadium:
Nach meinem Gefühl habe ich bis zum Schluss nicht so eine richtig gute Komposition gefunden, ich hätte da wohl doch öfter innehalten und Stoffe vor dem Zusammennähen herumschieben sollen. Wahrscheinlich waren die gelben Stücke auch zu groß. Am Ende habe ich dann aus dem fertigen Stück (Foto ganz oben) eine Nähmaschinenhaube gemacht.
Für eine Buchhülle blieb dann noch etwas übrig. Hier gefällt mir die Zusammenstellung nun ganz gut, vielleicht ja, weil ich den blauen Stoff nachträglich ausgesucht habe.
Dies war nun mein erster ernsthafter Versuch in Improvisation, ich werde noch mehr Projekte von Daintytime ausprobieren.
Anmerken sollte ich vielleicht, dass die zwei Improvisationskünstlerinnen unseres Nähkränzchens, Hedi und Carmen, mein systematisches Vorgehen amüsiert betrachteten. Die beiden nähen ohne theoretischen Unterbau einfach los und es kommt immer etwas Besonderes dabei heraus. Wie machen sie das nur?
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Gut improvisiert! Manchmal denke ich, unser „Kopf“ hemmt da die Kreativität – vielleicht denken wir/ich viel zu viel nach dabei. Vielleicht ist es sogar gut nur nach Größe zu greifen, also den Stoff einfach umdrehen, so das man Farbe und Muster möglichst nicht sieht. Keine Ahnung wie Carmen und Hedi das immer hinkriegen… Ich habe bei einer Kulturtasche improvisiert. Ich bringe sie nach her mal mit.
Jeder Mensch ist anders!
Der eine kopflastiger, der andere muss durchdenken.
Ich las eben auch die alten Kommentare zu deinem alten Post. Kazes Theorie von der Begabung, mein Frust darauf hin.
Hinzu kommt, dass in unterschiedlichen Lebensphasen und unterschiedlichen Stimmungen anderes gelingt /gelingen kann.
Du hast recht: Das Gelb ist bei deiner Improvisation zu viel.
Spontan dachte ich, dass so aber Raum geschaffen ist für weitere, auch nachträgliche Improviationen.
Es könnte alles mögliche aufgenäht und aufgestickt werden.
Fröhliches Nähen nachher
Tally
Auf der recht kleinen Fläche der Haube ist das gelb dominant- OK.
Aber jetzt stelle dir das Ganze mal ausgedehnt auf eine Quiltfläche vor- mit großen gelben Bereichen, dann Zusammenballungen der kleinflächigen Zuschnitte und den roten Spots, die immer mal wieder auftauchen……
Das ist sicher beim Nähen toll zu improvisieren und kann ein spannendes Ergebnis geben.
Überhaupt ist doch beim Quiltem auch der Weg das Ziel. Improvisieren, Verwerfen, Hinbiegen- es ist so ein Glücksgefühl, wenn man irgendwo einen Rest herauszieht, der einfach passt.
Eine grundsätzliche Struktur ist schon hilfreich, damit das nicht ünerbordet. Das kann aber ein Bloglayout sein, ein Farbschema, ein übergreifendes Sashing- da gibt es ja viele Möglichkeiten.
Vollkommen frei kann ich auch nicht arbeiten, will ich auch gar nicht, da eben doch etwas verkopft.
Die Buchhülle ist toll, aber im Ernst- eine Nähmaschinenhülle?
Ich käme nie auf die Idee, mein Schätzchen abzudecken.
Aber da ist auch nicht deine alte Pfaff drunter, oder?
Viel Spaß auf eurem Treffen später- ich fand es letzte Woche richtig schade, dass ich dich nicht kennenlernen durfte.
Hehe erwischt. Ich hatte noch nie ein Nähmaschinencover, und nun liegt es herum, weil ich es gar nicht nutze. Die Maschine verstaubt aber normalerweise tatsächlich, weil sie nur ein Ersatzmodell ist. Die Pfaff ist immer noch nicht repariert, das wünsche ich mir dann zu Weihnachten.
Es war wirklich blöd letzten Sonntag, ich hatte mich auch sehr darauf gefreut, dich zu treffen. Vielleicht sollte man nochmal extra etwas planen, wenn du wieder in der Nähe bist, zusammen mit anderen Quiltfans. Dann könnten wir auch über solche Fragen wie hier fachsimpeln. Es gibt ja nicht so viele, die da mit einsteigen, umso mehr freue ich, dass ihr euch hier mit euren Gedanken meldet.
Mir gefallen die Ergebnisse sehr gut. Ich glaube, bei „guten“ Improvisieren (zu dem Begriff „gut“ an dieser Stelle müsste ich eigentlich noch einen ganzen eigenen Absatz schreiben – dass solche Bewertungen vielleicht am Kern der Sache vorbeigehen, ist aber hoffentlich klar)
spielt die Übung eine große Rolle. Ich glaube, da findet jede irgendwann so ihren eigenen Weg. Ob du das jetzt nach Vorschlägen von anderen ausprobierst oder einfach vor dich hin experimentierst, ist vielleicht nicht so wichtig… aber nicht soviel über den Prozess nachdenken?…
Ich denke, dass man mit der Zeit ein Gefühl dafür bekommt – und dann von vornherein nur bestimmte Stoffe in die „Tüte“ steckt oder eben spontan auch viele daraus verwirft.
Bist du vielleicht ein wenig zu streng mit Dir? ;)
Kunst liegt ja oft im Auge des Betrachters. Mir gefallen deine Ergebnisse, und ich finde du hast deinen eigenen Stil. Weiter so!
Die Buchhülle gefällt mir supergut, die wirkt sehr stimmig. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dein Unwohlsein rührt daher, dass die hellen Stoffe (v.a. die mit den dünnen roten Linien) im Moment zu groß/zu dominant sind. Ich könnte mir vorstellen, das ganze Werk komplett leicht zu überfärben, nicht deckend, sondern eher so einen Grauton drüber. Dann gehts allerdings ins Schmuddelige, das muss man natürlich mögen.
Zum Nähmaschinencover: wenn mein Maschinchen herumsteht, und ich nicht dran arbeite, dann hab ich den Drang, ihr was überzuwerfen, das geht gar nicht anders. Ne selbstgenähte Hülle ist schon mehr was fürs Auge, als meine dabeigewesene Nylonhaube.
Das Thema Improvisation beschäftigt mich ja auch schon eine Weile. Ganz und gar ohne Planung – einfach „irgendwelche“ Stoffreste – gibt dann doch kein ansprechendes Bild, da hats du recht. Denyse Schmidt hats leicht, die kann ihre eigenen Stoffserien nehmen, und da es Serien sind, passt alles zusammen. Einen gewissen Rahmen, also farblich oder helligkeitsmäßig vorsortierte stoffe braucht man wohl – und dann innerhalb dieses Rahmens den Zufall.
Das Zwischenstadium gefällt mir witzigerweise besser als das endergebnis auf dem ersten Foto – da sind die kleinteiligen Streifen so an den Rand gewandert, während sie beim Zwischenstand die großen gelben Flächen strukturieren. Ich merke oft, dass ich bei solchen Sachen die erste, spontane Anordnung am besten finde, und dass ich danach zwar noch alles mögliche andere ausprobiere, und dann doch zum ersten Versuch zurückkehre.
Ich stimme mit frifri. Sie sind zu kritisch Ihrer Ergebnisse. Die Plätze sind sehr gut schwimmen. Ich liebe die Kühnheit der Farbe. Ich denke, das sieht fantastisch aus und es ist eine einzigartige Interpretation des Original-Partitur. Gute Arbeit!
Improvisieren ist wie Zeichnen. Es ist unerwartet, und manchmal dauert es dein Geist der Zeit, loszulassen seiner preconcieved Ergebnis. Mein Vorschlag ist, Sie setzen das Stück weg und aufhören, an sie für einen Monat und dann wieder herausziehen. Sie können es anders sehen und beurteilen sie freundlicher.
Auch der nächste Schritt ist, die Parameter der imrpovisation ändern. Bewerten Sie Ihre Unzufriedenheit und denken: „Was kann ich nächste Mal anders machen.“ Stellen Sie dann die Partitur. Zum Beispiel: „Was würde passieren, wenn ich drei Farben der Quadrate statt zwei.“ Jetzt sind Sie auf dem Weg zur Erstellung Ihrer eigenen Partitur zu folgen.
I agree with frifris. You are too critical of your outcome. The squares are floating very well. I love the boldness of the color. I think this looks fantastic and it is a unique interpretation of the original score. Good work!
Improvising is like drawing. It is unexpected and sometimes it takes your mind time to let go of its preconceived outcome. My suggestion is you put the piece away and stop looking at it for a month and then pull it out again. You may see it differently, and judge it more kindly.
Also the next step is to alter the parameters of the improvisation. Evaluate your dissatisfactions and think, „What can I do differently next time.“ Then adjust the score. For example, „What would happen if I used three colors of squares instead of two.“ Now you are on the road to creating your own score to follow.
Ich kann Sherri voll zustimmen, Improvisieren ist wie zeichnen, aber man darf, glaube ich, kein schnelles Ende erwarten. Wie auf Papier kann man auch beim Stoff „rüber gehen“ .kennst du http://spiritcloth.typepad.com/?
Die Australierin ist toll. Ich kann mich ja nur an den bildern weiden, aber sie benutzt in ihrer Farbpaplette alles Mögliche. Manchmal denke ich, was wird denn daraus…und später stelle ich verwundert fest, wie weit sie ihre Fleckchen getrieben hat.
Deine große gelben Flächen zum Beispel mit dunklen Fäden übernähen und damit eine Verbindung schaffen zu kleinen Stöffchen, stelle ich mir gerade vor. oder einmal kreuzweise zerschneiden und neu zusammenlegen.Spannend! Und wird ganz neu! Ehrlich gesagt kommt der Mut für so etwas bei mir mit dem Älterwerden.Klingt komisch, ist aber so.
Improgrüße
karen
Ich finde deine Improvisation wunderschön und fast schade, dass Du „nur“ ein Cover daraus gemacht hast. Obwohl ein Nähmaschinen-Cover prinzipiell gut finde. Könnte mir die kleine Fläche sehr gut als grossen Quilt vorstellen.
Ich kenne das Problem aber mit dem Improvisieren, und dem Ich-wills-irgendwie-im-Griff-haben. Ein Rezept habe ich noch nicht gefunden; manche Leute sortieren ihre Stoffe etwas in „hell“ und „dunkel“ vor. Dies könnten auch andere „Prinzipien“ sein. LG, Birgit
hallo und schönen Dank für deine „lobende Erwähnung“ und das bedeutet in Film- und Fernsehkreisen- wie wir erfahrenen Berlinalerinnen wissen-schon etwas. Wenn es nicht sogar zum Silbernen Bären reicht?! Und beide Kategorien treffen bei Hedi und Carmen zu: Älter und Erfahrener! hoho. Und alle Hildchens und Lenchens jubilieren uns wahrscheinlich zu. Sehr süß, dass du auch an sie denkst.
Aber ehrlich, wir profitieren doch sehr von euren Näh-/ Kreativblogs und sind inspiriert von den Ideen und Projekten, die ihr uns vorstellt. Auf eine weitere fruchtbar-frische Zusammenarbeit.
liebe Grüße von denen im Schatten sieht man nicht (frei nach Abba?)
die Carmen und die Hedi
[…] email to me saying: Hi, this is to just to let you know that I tried your tutorial, wrote about it here (in German). I basically say that I like your work very much and wanted to try one of your […]
Love the colors, love the quilt! Nice work :-)
[…] Erst wenig begeistert von der Farbpalette, hatte ich dann aber die Idee, mit den Quadraten einen Mod Mood Quilt nach der Anleitung bei Daintytime zu versuchen. (Meine erste Improvisation nach Sheris Blog hatte ich hier gezeigt). […]
[…] Modern Quilters. Sherris Improvisationsrezepte habe ich ja früher schon mehrmals probiert (z.B. Floating Squares oder Stimmungsquilt). Aus diesen Zeiten stammten auch noch sehr viele Streifen aus Stoffresten. Ich […]