Mit Papp und Stärke

 

„Die textile Technik der Kunstblumenherstellung für Adel und aufstrebendes Bürgertum im 18. Jahrhundert blühte nur 200 Jahre, bis sie noch vor dem 2.Weltkrieg wieder unterging. „ 

(aus dem Infoblatt „Textiltechnik“ des Technikmuseums, Berlin.) 

 „Wie unentbehrlich künstliche Blumen sind, bedarf wohl kaum einer Erwähnung , denn kurz ist die Zeit der Kinder Flora’s und man würde oft bei ihrem Verschwinden untröstlich seyn, wäre es nicht schon lange dem Fleiße gelungen, durch künstliche Nachahmung und Farbenpracht sich einigen Ersatz zu verschaffen; und wirklich hat es das rastlose Bestreben des immer sinnenden Geistes, die fleißige geschickte Hand hierin bereits zum Erstaunlichen gebracht.“ 

 aus:  Künstliche Blumen-Schöpfung nach dem Reiche der Natur und Phantasie  von Anna Schlehuber, Kaufbeuren 1856 

  

Kunstblumen frei nach Anna Schlehuber:

Man braucht nur Stoff, Stärke (hier: Maisstärke), Farbe. 

 

  

Die dickgekochte Stärke habe ich,  zusammen mit Aquarell bzw. Acrylfarbe auf schon zugeschnittene Stoffstreifen gepinselt. (Bei Anna Schlehuber werden die Stoffe für die Blüten erst gestärkt  und dann zugeschnitten).  

  

Danach habe ich die Stoffstreifen je nach gewünschter Blütenform in Stücke geschnitten und zusammengerollt, etwas geformt, mit einer Stecknadel gesichert und trocknen lassen.

  

Bei Anna Schlehuber stellt man sich „Papp“ (= Klebstoff) für die Blüten in verschiedenen Farben selbst her. Ich habe einfach Holzleim genommen, um die Blüten nach dem Trocknen am Wiederaufrollen zu hindern. Ergebnis: In feuchtem Zustand sehen die Blüten toll und sehr echt aus. Nach dem Trocknen haben sie ihren Glanz verloren und fühlen sich an wie: Papier!    

  

Das war nicht meine Absicht. Damals hat man dem Glanz mit Wachs und anderen Zusätzen nachgeholfen, aber das will ich erstmal nicht weiter verfolgen.  Denn mein Traum einer Kette von zarten Hyazinthenblüten war nach dem Aufreihen der kleinen „Papierblumen“ ausgeträumt: Es sieht aus wie eine billige Hawaiikette. Nur gut nachahmen ist eben nicht alles.  So verlasse ich das Terrain der traditionellen Herstellung künstlicher Blumen zunächst wieder. Es ist aber faszinierend, einem 150 Jahre alten Anleitungsbuch zu folgen! 

Ein großer Dank gilt dem hierzulande so viel gescholtenen Google-Books.   Ohne dieses Projekt, das all die „verwaisten“ Bücher einsehbar macht, ginge so unendlich viel Wissen verloren! Und man kann dort inzwischen z.B. alte Life-Hefte durchsehen. Damit wäre für mich ein verregneter Sonntag gerettet. 

Ach ja, ein weiterer Dank geht an Karen und Tally, die mich durch ihre Kommentare hier erst auf die Idee gebracht haben, nach der alten Kunstblumenherstellung zu forschen. Heute werden sie z.B. in Sebnitz noch auf diese Art hergestellt. 

 Und zum Abschluß noch ein Blick in Blumenschachteln des Gartenbaumuseums in Wien: 

  

Copyright: Er.We.  Auch Danke! 

. 

     
 
 

 

6 Kommentare

  1. Hyazinthenblüten lassen sich tatsächlich eintrocknen. Ich experimentiere gerade mit getrockneten Tulpen rum, die Hyazinthen sehen auch toll aus, aber ob sie sich auf eine Kette auffädeln lassen, das bezweifel ich sehr :)
    Deine Idee gefällt mir aber gut, vielleicht findest du ja noch eine Lösung. Manchmal muss man ein Projekt ein paar Tage ruhen lassen, bevor’s weitergeht ;)

    Liebste Grüße, Niki

  2. Ich habe jetzt spontan an hochglänzenden Klarlack gedacht – wenn man die Blüten damit lackiert? Aber die Zartheit einer echten Blüte wird man auch damit nicht erreichen können. Tendenziell gefallen mir Stoffblüten am besten, die nur grob einer richtigen Blume ähneln.
    Kennst du diese Seite: http://www.vintagesewing.info/index.html
    In der Rubrik millinery gibt es einige Bücher aus den 20er jahren, die nicht nur das eigentliche Hutmachen abdecken, sondern auch das Herstellen von allen möglichen Blumen- und Federdekorationen. Ich glaube da findest du neues Futter für weitere Experimente.
    viele Grüße!

  3. Anscheinend gibt es zur Zeit hier technische Probleme mit den Kommentaren. Lucy hat mir inzwischen die Seite http://www.vintagesewing.info/index.html empfohlen. Dort kann man ältere amerikanische Nähbücher einsehen. In der Rubrik „millinery“ gibt es Bücher aus den 20er und 30er Jahren, die sich zum Teil sehr detailliert mit Hutdekorationen – also Blüten, Federn, Früchten und Schleifen befassen.
    Lucy, der Kommentar hing wegen Spam-Verdachts fest – vielleicht wegen des Links? Danke für die Info.
    Ich hab mir dort schon mal das Veilchenmachen angesehen – im Garten hier habe ich doch tatsächlich erstmals eins entdeckt!
    Tally hat noch einen Link zu einem schön Papierblumenkranz geschickt: http://madebynicole.blogspot.com/2010/04/paper-towel-spring-wreath.html

  4. Liebe Suschna, ich danke Dir für diesen wunderbaren Post. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, das es noch Anleitungen für selbst gemachte Blumen irgendwo gibt, geschweige denn das es noch ein ganzes Buch. Oft bin ich noch so in dem jetzigen Trend fest verhaftet – suchst Du was, dann geh in den Laden und kauf Dir was – geht es kaputt, dann kauf etwas neues… Dabei ist es so einfach, so befriedigend etwas selbst zu machen. Bitte noch ein Post….Gruß Floh

  5. Durch meine Reiserei habe ich das jetzt erst entdeckt. Kulturgeschichte der Kunstblume, viel spannender, als man denkt!
    Ich mußte wieder vor mich hingrinsen, Du wirst schon bald sehen warum!

    Hyazinthengrüße von Karen

  6. Wir sind der Sebnitzer Kunstblume verfallen. Eigentlich starteten wir vor ein paar Jahren als Onlineshop für Herrenaccessoires (Schleifen, Schals, Rasur & Co.). Bis wir der Kunstblume begegnet. Auf einer Messe. Seidem reisen wir regelmäßig nin die Sächsische Schweiz und lassen ganze Kollektion seidener Einsteckblumen für das Knopfloch des Herrn von Welt anfertigen. Man nennt das dann Boutonnière oder schlicht Knopflochblumen. Was für ein schönes altes Handwerk!

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