Das Gute an Anleitungsbüchern ist, dass man alles nach Herzenslust nachmachen darf, ja soll. Sonst habe ich einen eingebauten „Auf keinen Fall Kopieren“-Modus. Diesmal habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, so nah wie möglich ans Original heranzukommen.
Es handelt sich mal wieder um das Buch „Patchwork Style„, mit dem ich mich hier schon einmal herumgeschlagen habe. Am schönsten fand ich eigentlich immer diese kleine Tasche. Quilt-Guild-Schwester Lucy, die das Buch in der neuen Version auf Englisch hat, und ich wollten das Projekt angehen. Lucy hat hier auch schon etwas über die Verfasserin des Buches, die japanische Designerin Suzuko Koseki geschrieben. Ich habe Lucys Version des Täschchens noch nicht gesehen, und online habe ich nirgends eine Umsetzung gefunden – wir sind also eventuell Pioniere. Vielleicht schreibt Lucy ja noch etwas mehr zu der Art, wie das Täschchen gemacht wird. Da ich kein Japanisch kann, war das Nähen für mich eher ein Blindflug, was ich nicht so schlimm fand. Schlimm war eher die Frage: Welche Stoffe?
Das Bild im Buch habe ich mir ewig angeschaut und dann mithilfe meiner Stoffkisten versucht, an die Farbzusammenstellung heranzukommen.
Durch Probieren und Probieren habe ich mir ein paar Geheimnisse entschlüsselt:
- Links und rechts ist ein dunkler „Zusammenhalt“ nötig, die Blautöne gehen entweder ins Schwarze oder ins Violette.
- Die Gelbtöne müssen blassgelb sein, keinesfalls goldig. Ausnahme: Der Bortenstreifen setzt einen Kontrapunkt
- Grafische Muster überwiegen, nur die Blumen in der Mitte sind erlaubt.
- Die Stoffoberflächen variieren (schlecht zu fotografieren), das Hellblau z.B. ist ein glänzender Stoff.
- Gequiltet wird in sehr schmalen Streifen, mal viel, mal gar nicht. Dadurch werden zu ruhige Stoffe „aktiviert“ und unruhige zurückgenommen.
Hört sich alles sicher übertrieben an, aber wenn man in der Sache erstmal drinsteckt…
Das Originaltäschchen hat eine Schlaufenborte rundherum, die ich eigentlich toll finde. Meine Idee mit den Fransen war nicht so gut, weil es extrem schwer war, sie zu bändigen (und mit der Hand anzunähen). Der Henkel ist gehäkelt. Die ursprünglich vorgesehenen Lederschlaufen an der Tasche habe ich nicht festnähen können, daher sind es nun schnöde Schnürsenkelstückchen.
Innen sieht die Tasche so aus, sie wird mit einem Druckknopf geschlossen:
Und die Rückseite so. Im Buch blieb für mich leider offen, wie die Tasche von innen und hinten aussah.
Wenn ich mich nicht für das Projekt verabredet hätte, wäre es sicher irgendwann liegen geblieben. Die Fertigstellung war nämlich für meinen Geschmack ziemlich aufwendig, zumal ich so eine Tasche gar nicht brauche. Die ist nix für Frauen, die zu ihren Abendverabredungen mit der S-Bahn fahren, selbst bezahlen, ein zehn Jahre altes Handy in der Form eines Knochens besitzen, Lesestoff und einen Haufen Taschentücher wegen Dauererkältung brauchen .
Zwei weitere Sachen, inspiriert vom Buch, sind hier und hier noch zu sehen.
Von Suzuko Koseki gibt es inzwischen noch zwei weitere Bücher, Natural Patchwork und Playful Patchwork. Alles schön. Ich leg mein Buch jetzt erstmal wieder weg, es hat sich ein bisschen auskosekid.
(Wegen der letzten Wortschöpfung hier noch ein ganz anderer Link: Frühstück bei Stefanie zu der Frage, wie man englische Ausdrücke eindeutscht. Danach war ich hier am Koseki-Machen. Aber Achtung, Frühstück bei Stefanie finden meist nur Norddeutsche lustig.)
Deine formelle Analyse ist ineressant.
Das ist fast ein wenig wie früher das Abmalen alter Meister in der Ausbildung von Künstlern. Das schult das Auge.
Und wenn man sich diese Gesetze mal verinnerlicht hat, dass geschieht vieles automatisch.
Dein Täschchen ist sehr gut gelungen, aber mir wär´s auch zu klein zum Tragen. Aber zum anDieWandhängen ist es ein echter Blickfang!
Hehe, jetzt weiß ich auch warum Lucy so gut im Erraten war!
Was für ein Aufwand, wow, mit vorhandenen Stoffen der Vorlage so nahe zu kommen würde ich nicht schaffen (und ich habe wahrlich kein kleines Stofflager). Das ist dir wunderbar gelungen.
Ich brauche auch Handtaschen in mindestens Taschenbuchgröße und mind. doppelter Taschentuchdicke.
Bestimmt reißt es sich irgendeins aus Deiner Familie unter den Nagel ;)
Ich besitze das Buch auch, und blättere abends in größeren Abständen darin. Genäht hab ich noch nichts daraus…
(Und sogar manche Süddeutsche finden Frühstück bei Stefanie gut (das kann aber auch am zerrüttenden Einfluß des Mannes an meiner Seite liegen, vermutlich eine subtile Rache seinerseits für die tägliche Konfrontation mit nicht-Hochdeutsch-Sprechern – damit meine ich nicht mich). Leider kommt man hier nicht so oft dazu. Aber es ist einfach immer fein beobachtet. Köstlich.)
Unglaublich, du hast das Täschchen tatsächlich quasi nachgebaut und bist der Vorlage so nahe gekommen, wie es nur überhaupt geht. Deine Stoffanalyse könnte von mir sein, so saß ich auch immer wieder vor der Abbildung und vor meinen Stoffstreifen. Aber so sehr dem Original entsprechende Stoffe habe ich nicht in meinem Vorrat. Erst jetzt, wenn ich auf dem ersten Bild die Buchseite im Hintergrund sehe und die Tasche mächtig verkleinert, fällt mir überhaupt auf, dass sich bei den Streifen immer hell und dunkel abwechselt. Das sieht man gar nicht, wenn man das Bild immer nur aus der Nähe betrachtet.
Im Buch ist die Rückseite einfarbig, so wie bei dir, und das Futter (ohne Farb- oder Materialvorschläge im Buch) bekommt noch eine kleine aufgesetzte Tasche, in die man einen gefalteten 10-€-Schein stecken könnte, höchstens.
Ich dengele heute abend noch ein bißchen an meinem Text herum und mache morgen früh noch ein Bild, dann kommt die Tasche.
viele grüße! Lucy
oh, die ist aber schön geworden! besonders gut gefällt mir die fransenkante rundherum. (:
Ich muss gestehen, ich habe auf den ersten Blick gedacht, man hat Deine Tasche veröffentlicht. Nachmachen ist völlig ok, nochdazu so brilliant. Was du alles für Stoffe hast, Wahnsinn. Ich finde es spannend zu lesen, wie du an das „Projekt“ rangegegangen bist. TOLLE UMSETZUNG!
Außerdem wünsche ich Dir ganz dolle Gute Besserung – diese schreckliche was-auch-immer-Erkältung will anscheinend nicht von Dir weichen, furchtbar,
Alles Liebe und hoffentlich bis So
Aylin
Tolles Täschen, habe aber eigentlich viel Spaß mit Stefanie gehabt, wenn ich das mal bemerken darf, ohne anbiedernd zu wirken, weil ja ein Südwestlicht, fast ein Extrem-Wessi.
Eindinglischen bleibt ja immer aktuell. Ich war gerade auf der Suche nach einem Wort, wenn man eine Mail ausdruckt und an andere Menschen fernpöstlich sendet: Verbriefte Weitermailing?
lg Carmeling
Die Täschchen sind beide zauberhaft und in keinem Fall würde ich von Fälschung/ geklaut sprechen sondern von Interpretation!
Liebe Grüße
Teresa
die japaner und vor allem s. koski sind hier im südwesten auch gerade der renner es hat sich noch nicht auskosekid.wir kaufen gerade wie blöd schriftstoffe um an diesen style heran zukommen.in meinem stoffschrank befinden sich fast nur moderne amerikanische designer und damit kann man diesen look wirklich nicht nachmachen .da ich gerade mit zwei anderen quiltern den farmer’s wife quilt nähe habe ich in letzter zeit sehr viel kleingemusterte stoffe gekauft ich hoffe aus den resten wird dann das ein oder andere koseki-teil.l.g.
Diese analytische Herangehensweise ist ja interessant. Ein sehr schönes Täschchen ist da entstanden, welches dem Geist des Originals doch sehr nahe kommt. Macht ihr beim nächsten Treffen noch ein Zwillingsbild?
Herzliche Grüße,
Malou
Eure Taschen sind einfach nur beeindruckend. Auch wenn es „geklaut“ ist, muss man es erstmal so schön hinbekommen.
[…] Tasche wurde […]
[…] machen”. Mein Werk ist inspiriert vom Buch “Patchwork Style“, aus dem ich auch früher schon Dinge probiert habe. Dieser Schurz sollte es sein, nachdem mich ja, wie berichtet, das […]
[…] nicht nur ich, auch ganz andere Ladies der Blogosphäre haben sich inspiriert gefühlt, hier, hier, hier und hier. Ich habe mehrere Beuteltaschen nach dem Prinzip der Tote Bag von S. 53, eine Miniversion […]